ForscherInnen stellten Infusionen gegen Eisenmangel auf den Prüfstand
Ein Großteil der PatientInnen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen ist häufig von schwerem Eisenmangel betroffen. ForscherInnen um Heinz Zoller von der Med Uni Innsbruck haben an einer multizentrischen, klinischen Studie mitgewirkt, in der zwei geläufige Infusionspräparate zur Behandlung von Eisenmangel bei CED-PatientInnen in Bezug auf das Auftreten von Phosphatmangel verglichen wurden. Hypophosphatämie kann bei PatientInnen langfristig schwere Knochenschäden verursachen.
Seit rund zehn Jahren stehen Infusionslösungen zur Verfügung, die es ermöglichen, einen akuten Eisenmangel von einem Gramm Eisen und mehr mit einer einzigen Infusionsgabe auszugleichen. Für die nun vorliegende Publikation hat in Innsbruck ein Team um Heinz Zoller, dem Leiter des an der Medizinischen Universität angesiedelten Christian Doppler Labors für Eisen- und Phosphatbiologie, die Wirkung der Präparate Ferric-Derisomaltose (FDI) und Ferric-Carboymaltose (FCM) hinsichtlich des Auftretens einer Hypophosphatämie (Phosphatmangel) verglichen. Untersucht wurden PatientInnen, die im Rahmen ihrer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung (CED) an chronischem Eisenmangel leiden. Die Studienergebnisse fielen eindeutig zugunsten des Wirkstoffs FDI aus.
An der Studie, die im angesehenen Fachjournal Gut publiziert wurde, beteiligten sich 20 Universitätskliniken - neben Innsbruck und Wien in Österreich, auch Zentren in Großbritannien, Deutschland und Schweden. Zoller firmiert in der Forschungsarbeit als Erst- und korrespondierender Autor. Insgesamt wurden in die randomisierte, doppelblinde Untersuchung 97 PatientInnen mit CED eingeschlossen. 49 ProbandInnen wurden mit FDI behandelt, 48 mit FCM. Die StudienteilnehmerInnen erhielten jeweils zwei Infusionen, am ersten Tag und am 35. Tag. In regelmäßigen Follow-Up Untersuchungen (Tag 1, 7, 14, 35, 42, 49 und 70) analysierten die WissenschafterInnen die Phosphat-Konzentration im Blut der TeilnehmerInnen. Zusätzlich beantworteten die PatientInnen Fragen in Bezug auf ihre Lebensqualität.
Deutlich weniger Hypophosphatämie nach FDI-Gabe
„FCM ist ein Präparat, das wegen seiner besonders guten Verträglichkeit häufig ausgewählt wird. Der damit verbundene Abfall von Phosphat wurde dabei bisher außer Acht gelassen“, sagt Zoller. Die aktuelle Untersuchung hat nun ergeben, dass das zweite Mittel, FDI, genauso wirksam wie FCM ist und damit sogar noch eine höhere Dosierung möglich ist, gleichzeitig aber der Phosphatabfall (Hypophosphatämie) und die damit verbundene Müdigkeit bei den PatientInnen weit weniger stark ausgeprägt ist. „Die Studie zeigt, dass FCM bei mehr als der Hälfte der damit behandelten Patientinnen und Patienten eine moderaten bis schwere Hypophosphatämie verursacht. Nach zehn Wochen haben sich die meisten wieder davon erholt“, schildert Zoller. Zum Vergleich: In der FDI-Gruppe trat Hypophosphatämie mit einem Anteil von lediglich 8,3 Prozent auf.
Nun sind weitere Studien notwendig, um offene Fragen in Bezug auf die dahinterliegenden Mechanismen zu klären. Sowohl was die Effekte von FCM und FDI auf die Lebensqualität der PatientInnen betrifft, als auch die langfristigen Folgen einer durch die Eisenpräparate ausgelösten Hypophosphatämie.
Hypophosphatämie löst 6H-Dominoeffekt aus
Hyposphosphatämie setzt eine Kaskade an unerwünschten und teils schweren Nebenwirkungen in Gang, die von den ForscherInnen als so genanntes 6H-Syndrom beschrieben wurde. Hyposphatämie steht dabei an erster Stelle. Sie löst ihrerseits Hyperphosphaturie (vermehrte Ausscheidung von Phosphat im Urin) aus, was wiederum ein hohes FGF23-Hormon zur Folge hat. Es kommt zu Hypovitaminose D, den Mangel von Vitamin D 1,25 mit dem Effekt, dass weniger Calcium in den Knochen eingebaut werden kann (Hypocalciumämie und Hyperparathyroidismus). „Es wird ein Dominoeffekt ausgelöst, der in Hypomalazie mündet“, sagt Zoller. Aufgrund des Vitamin D- und Phosphatmangels kann der Knochen nicht ausreichend mineralisiert werden. Wie bei der kindlichen Rachitis entstehen so genannte Looser Zonen und teilweise irreversible Schäden. Wie Eisenmangel äußert sich auch Osteomalazie zunächst mit Symptomen wie Müdigkeit und Schwäche. Manche PatientInnen erleiden mehrfache Knochenbrüche. Dazu kommt, dass es bei Betroffenen von chronischen Eisenmangel meist nicht bei einer einmaligen Infusionsgabe bleibt. So tritt bei rund 50 Prozent der betroffenen CED PatientInnen der Eisenmangel innerhalb von sechs Monaten erneut auf. Dann werden weitere Infusionen notwendig.
Infusionsbehandlungen bei chronischem Eisenmangel
Chronischer Eisenmangel betrifft viele Menschen. So sind von den PatientInnen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen 85 Prozent häufig von einer Anämie betroffen. Wiederum die Hälfte davon hat chronischen Eisenmangel. Oral verabreichtes Eisen ist aufgrund der Darmerkrankung bei diesen PatientInnen kaum wirksam und kommt daher als Therapie nicht infrage. Die Fachgesellschaften empfehlen deshalb die intravenöse Behandlung mit Eisenpräparaten.
Vor allem bei gastroenterologischen, gynäkologischen, hämatologischen und nephrologischen Indikationen werden zur Therapie Eiseninfusionen eingesetzt. Bei PatientInnen mit Nierenerkrankungen tritt das 6H-Syndrom laut Zoller nicht auf – die zweite Stufe der Kaskade, Hyperphosphaturie, fällt bei ihnen weg.
(Innsbruck, am 12. 12. 2022, Text: T. Mair, Bild: Tiffany Davanzo)
Forschungsarbeit:
Zoller H, Wolf M, Blumenstein I, et al: Hypophosphataemia following ferric derisomaltose and ferric carboxymaltose in patients with iron deficiency anaemia due to inflammatory bowel disease (PHOSPHARE-IBD): a randomised clinical trial. Gut Published Online First: 09 September 2022. doi: 10.1136/gutjnl-2022-327897 https://gut.bmj.com/content/early/2022/11/07/gutjnl-2022-327897.info
Weitere Links:
CD-Labor für Eisen- und Phosphatbiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin I Innsbruck