Doppelrolle von Eisen bei Parkinson
Die Parkinson-Studienzentrale der Med Uni Innsbruck (Leiter: Klaus Seppi) nahm an der EU-geförderten Fair Park II Studie teil, bei der die Effekte einer Reduktion der Gehirn-Eisenkonzentration auf das Fortschreiten der Erkrankung erforscht wurden. Die ExpertInnen der Univ.-Klinik für Neurologie (Direktor: Stefan Kiechl) waren auch für die Koordination des Biomarker-Work Packages dieses Projektes verantwortlich. Die Ergebnisse lassen die Rolle von Eisen bei Parkinson in neuem Licht erscheinen.
Dopamin ist ein Botenstoff, der für die Steuerung von Bewegung unbedingt notwendig ist. Bei der Parkinson-Krankheit gehen nach und nach jene Nervenzellen des Gehirns verloren, die für die Dopaminproduktion zuständig sind. Folglich zeigen sich bei den Betroffenen zunehmend motorische Beeinträchtigungen. Längst bekannt ist auch, dass sich in den entsprechenden Hirnregionen von ParkinsonpatientInnen Eisen anhäuft. Das wiederum wird mit dem Verlust der dopaminproduzierenden Nervenzellen in Verbindung gebracht. Für das mit zwei Millionen Euro von der EU finanzierte (Horizon 2020) Fair Park II Projekt haben sich ab 2015 europaweit 23 europäische Zentren unter der Leitung von David Devos (Universitätsklinik Lille, Frankreich) zusammengeschlossen. Im Fokus der ExpertInnen stand die Rolle von Eisen bei der Krankheitsentstehung. Die Universitätsklinik für Neurologie beteiligte sich mit dem damaligen Direktor Werner Poewe als einziges österreichisches Zentrum an der Forschung. Nun liegen die bemerkenswerten Studien-Ergebnisse als Publikation im New England Journal of Medicine vor und dürften die Diskussion um das Eisen bei Parkinson neu ins Rollen bringen.
Die Fair Park II Studie ist das erste große Projekt, in dem untersucht wurde, ob es mit Deferipron gelingt, überschüssiges Eisen aus dem Gehirn der StudienteilnehmerInnen zu entfernen. „Deferipron ist ein so genannter Eisenchelator. Ein Fängermolekül bindet Eisen, das in der Folge ausgeschieden wird. Das Medikament ist bereits für eine Bluterkrankung zugelassen und hat die Besonderheit, dass es bis ins Gehirn durchkommt. Wir wollten untersuchen, ob es bei ParkinsonpatientInnen sicher angewandt werden kann“, schildert Poewe die Ausgangssituation. In Innsbruck wurden 16 PatientInnen in die randomisierte, doppelblinde Interventionsstudie eingeschlossen und über ein Jahr verfolgt – insgesamt nahmen rund 370 bisher unbehandelte Parkinson-PatientInnen an dem mit zwei Millionen Euro geförderten Projekt teil.
Bild: Bei Parkinson-Betroffenen führt das Absterben von Neuronen im Nigrosom 1 in der Substantia nigra dazu, dass die bei gesunden Menschen bestehende von signalarmen dunkleren Arealen umgebene signalreiche hellere längliche Struktur (N, entspricht dem sogenannten Nigrosom 1) in der eisengewichteten MRI Bildgebung (sogenannte Suszeptibilitätsgewichtete Bildgebung) fehlt.
Klaus Seppi und Christoph Scherfler von der Universitätsklinik für Neurologie koordinierten außerdem das Biomarker Work Package und zeichneten somit für die zentrale Auswertung von MRI Datensätzen zur Quantifizierung von Eisen verantwortlich. Zudem wurde der Einfluss bestimmter Genotypen untersucht. „Wir konnten interessante Befunde erheben, die Publikationen dazu werden noch folgen“, gibt Poewe einen Ausblick.
Die Ergebnisse der Fair Park II Studie sind gleichermaßen wichtig wie unerwartet für die Parkinson Forschung. Die Untersuchung zeigte einerseits in der Bildgebung, dass die Verabreichung von Deferipron tatsächlich zur Reduktion des Eisengehalts in den Hirnregionen führt. Entgegen der Annahme der ExpertInnen verschlechterte sich andererseits jedoch die motorische Funktion jener StudienteilnehmerInnen, die den Wirkstoff verabreicht bekamen im Vergleich zur Placebogruppe bereits nach drei Monaten deutlich.
Dieser negative symptomatische Effekt führte die WissenschafterInnen zu einer neuen Hypothese: „Tyrosinhydroxylase ist ein Schlüsselenzym für die Herstellung von Dopamin. Für den wichtigsten Schritt bei der Umwandlung von Tyrosin zu L-Dopa und schließlich zu Dopamin ist Eisen notwendig. Möglicherweise sind die negativen Effekte für die StudienteilnehmerInnen durch die Eisenreduktion entstanden“, vermutet Poewe. Nun könne man darüber nachdenken in einem Folgeprojekt, das etablierte Parkinsonmedikament L-Dopa mit Deferipron zu kombinieren, und damit möglicherweise den zellschützenden Mechanismus von Deferipron nützen. „Vielleicht treten die negativen Effekte, die wir beobachtet haben, lediglich bei Betroffenen auf, die bisher noch keine Therapie erhalten haben. Möglicherweise können wir das umschiffen, wenn die PatientInnen zuvor bereits einige Zeit mit L-Dopa behandelt wurden. Das ist noch alles sehr spekulativ. Wir müssen jedenfalls noch einmal neu darüber nachdenken, was nun wirklich die Rolle von Eisen bei der Parkinson-Erkrankung ist“, betont der Experte.
(Innsbruck, 6. Februar 2023, Text: T. Mair, Bild: Adobe Stock, Univ.-Klinik für Neurologie)
Forschungsarbeit:
Devos D, Labreuche J, Rascol O, Corvol JC, Duhamel A, Guyon Delannoy P, Poewe W, Compta Y, Pavese N, Růžička E, Dušek P, Post B, Bloem BR, Berg D, Maetzler W, Otto M, Habert MO, Lehericy S, Ferreira J, Dodel R, Tranchant C, Eusebio A, Thobois S, Marques AR, Meissner WG, Ory-Magne F, Walter U, de Bie RMA, Gago M, Vilas D, Kulisevsky J, Januario C, Coelho MVS, Behnke S, Worth P, Seppi K, Ouk T, Potey C, Leclercq C, Viard R, Kuchcinski G, Lopes R, Pruvo JP, Pigny P, Garçon G, Simonin O, Carpentier J, Rolland AS, Nyholm D, Scherfler C, Mangin JF, Chupin M, Bordet R, Dexter DT, Fradette C, Spino M, Tricta F, Ayton S, Bush AI, Devedjian JC, Duce JA, Cabantchik I, Defebvre L, Deplanque D, Moreau C; FAIRPARK-II Study Group. Trial of Deferiprone in Parkinson's Disease. N Engl J Med. 2022 Dec 1;387(22):2045-2055. doi: 10.1056/NEJMoa2209254. PMID: 36449420.
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