Neue Einsichten in die Wirksamkeit monoklonaler Antikörper und antiviraler Medikamente
Ein besseres Verständnis der vielschichtigen Interaktionen zwischen unterschiedlichen Viren und den relevanten Playern des Immunsystems kann als diagnostisches Tool dienen und neue Strategien im Kampf gegen Infektionen sichtbar machen. Daran forscht und arbeitet auch Wilfried Posch mit seinem Team. Für den translationalen Ansatz seiner Therapieforschung bewährt sich ein von ihm und Kollegin Doris Wilflingseder etabliertes 3D Zellkulturmodell für den Respirationstrakt.
Die Weiterentwicklung von Impfstoffen und antiviralen Medikamenten bleibt auch nach dem Ende der Corona-Pandemie zentrales Element der Infektionsforschung. Der Molekularbiologe und Immunologe Wilfried Posch forscht als Professor für Emerging Infectious Diseases am Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie (Direktorin Cornelia Lass-Flörl) und hat in aktuellen Medikamentenstudien zu respiratorischen Virusinfektionen vor allem auch die Qualität der Immunität – im Serum (Blut) und im Mukus (Schleimhaut) – im Visier. „Die mukosale Immunreaktion verläuft anders, als die Immunantwort im Serum. Der Ort, an dem der erste Kontakt zwischen Virus und Immunzellen stattfindet, spielt eine wichtige Rolle. Wir wissen heute, dass die mukosale Immunität nach Impfung nicht so gut entwickelt ist, weshalb es Überlegungen gibt, Impfstoffe durch andere Verabreichungswege – etwa über die Nase – anzupassen. Mit hohem mukosalem Schutz können respiratorische Infektionen jedenfalls verhindert werden. Es genügt deshalb nicht, nur den Antikörper-Titer im Serum zu messen, um Auskunft über die Qualität des Schutzes bei diesen Infektionskrankheiten zu erhalten“, weiß Posch. Eine herkömmliche Titerbestimmung im Labor allein, sage wenig über die Qualität des Immunschutzes aus. Mehr Aussagekraft haben neben Neutralisationstests auch Untersuchungen von zellulären Immunkomponenten wie zum Beispiel T Lymphozyten oder auch Antikörper im Speichel.
BU: Gabriel Diem, Wilfried Posch und Stefanie Dichtl (v.l.) forschen zur Interaktion von Viren und Immunsystem © C. Simon
So fokussierten sich ForscherInnen um Wilfried Posch in ihrer, im Journal Clinical Microbiology publizierten Forschungsarbeit auf diese Antikörper im Speichel (Salivary IgAs). Die Arbeitsgruppe mit Erstautor Gabriel Diem beschreibt dabei die Rolle von Salivary IgAs bei der Schleimhautneutralisierung unterschiedlicher SARS-CoV-2-Varianten nach einer intramuskulären COVID-19-Impfung oder Genesung. „Unsere Ergebnisse zur Speichelimmunität stützen die Idee, dass eine alternative Verabreichungsform wie etwa ein Impfstoff über die Schleimhäute als Booster optimal für den Schutz gegen SARS-CoV-2 wäre“, so Posch.
Um die Behandlung von Infektionen mit den Coronavirus-Varianten BA.4 und BA.5 mit effizienten antiviralen Medikamenten und monoklonalen Antikörpern zu untersuchen, nutzte das Team um Posch in einer weiteren, im Fachjournal Antiviral Research veröffentlichten Forschungsarbeit neben Neutralisationstests auch das humane 3D-Modell primärer menschlicher Bronchialepithelzellen. „Mit der im 3D-Modell nachgebildeten Mukosa lassen sich auch Fragen nach der Schwere der Infektion, dem Ausmaß der Gewebeschädigung und dem Grad der Entzündung beantworten“, so Posch. Das Team mit Erstautorin Stefanie Dichtl fand heraus, dass ein Großteil der antiviralen Medikamente die Replikation der meisten Coronavirus-Varianten wirksam hemmen konnte. Von den monoklonalen Antikörpern übte jedoch nur einer der vier getesteten Kandidaten eine hemmende Wirkung auf die Varianten BA.4 und BA.5 aus, der darüber hinaus auch der einzige war, der prophylaktisch die Gewebsentzündung zu beeinflussen vermochte. „Wir sehen also, dass es einen Unterschied macht, ob ein Medikament vorbeugend oder als Behandlung eingesetzt wird. Die Prophylaxe ist vor allem dann wichtig, wenn die Wirkung der Impfung durch Immunschwäche beeinträchtigt ist“, betont der Immunologe Posch.
In einer weiteren Forschungsarbeit testete das Team mit Hilfe des innovativen Lungenmodells zusätzlich ein orales Medikament und seine antiinflammatorische Wirkung auf eine der neuesten Virusvarianten. „Die meisten monoklonalen Antikörper sind wirkungslos, aber orale Medikamente zeigen noch Wirkung. Wir stellten fest, dass die Variante BA.2 empfindlich auf die Neutralisierung durch die zugelassene prophylaktische Verabreichung und den noch nicht zulässigen therapeutischen Einsatz von Cilgavimab/Tixagevimab reagierte“, so Erstautorin Stefanie Dichtl.
Diese Untersuchungen, die sich aus der translationalen Forschung mit dem innovativen und anpassungsfähigen 3D-Modell ergeben, lassen sich auch für Fragestellungen zu anderen respiratorischen Viren wie Influenza oder RSV, aber auch für andere respiratorische Mikroorganismen adaptieren. Zudem sind sie ein Beleg dafür, dass sich das humane Modell für die Austestung neuer Medikamente genauso eignet, wie für die Erprobung von Medikamenten, die bereits für andere Krankheiten zugelassen sind, wodurch sich neue therapeutische Anwendungsmöglichkeiten ergeben – Stichwort „Drug-Repurposing“.
(13.06.2023, Text: D. Heidegger, Bilder: C. Simon, S. Dichtl)
Links:
Antiviral drugs block replication of highly immune-evasive Omicron subvariants ex vivo, but fail to reduce tissue inflammation.
https://doi.org/10.1016/j.antiviral.2023.105581
Salivary IgAs and Their Role in Mucosal Neutralization of SARS-CoV-2 Variants of Concern.
https://doi.org/10.1128/jcm.01065-22
Cilgavimab/Tixagevimab as alternative therapeutic approach for BA.2 infections.
https://doi.org/10.3389/fmed.2022.1005589
Arbeitsgruppe von Assoz.-Prof. PD Mag. Dr. Wilfried Posch
https://www.i-med.ac.at/hygiene/forschungsposchcvv2.html.de