Wertvolle epidemiologische Forschung in der Pandemie
Eine kürzlich im Fachjournal Lancet Microbe veröffentlichte Studie des Epidemiologen Peter Willeit beleuchtet die Zusammenhänge zwischen der Immunantwort auf die BionTech/Pfizer-Impfung und dem Schutz vor Durchbruchsinfektionen. Die Forschungsarbeit wurde gemeinsam mit dem Institut für Virologie durchgeführt und liefert wichtige Erkenntnisse zum Coronavirus.
Die Rolle der Forschung im Bereich der Infektionsepidemiologie gelangte mit dem Einsetzen der COVID-19-Pandemie zu besonderer gesundheitspolitischer Relevanz. Der stark beschleunigte Informationsfluss wissenschaftlicher Erkenntnisse während der Pandemie trug dazu bei, gesundheitspolitische Entscheidungen zu unterstützen und zu optimieren. So war auch die Expertise von Peter Willeit, der seit vergangenem Jahr als Professor für Epidemiologie und Public Health das Institut für Gesundheitsökonomie an der Medizin Uni Innsbruck leitet, für die Beantwortung dringlicher Fragestellungen wie auch bei der Durchführung epidemiologischer Studien oder bei der Beratung zu Studiendesigns oft gefragt.
BU: von links nach rechts: Gerhard Klingenschmid, Lena Tschiderer, Hannah Innerhofer, Peter Willeit, Lisa Waltle, Holly Pavey, Lisa Seekircher, Maja Huber. © Birgit Pichler
Vor kurzem berichtete das renommierte Journal Lancet Microbe (IF 38) über die Ergebnisse aus der Shieldvacc-2-Studie, einer offenen Phase-4-Studie*, die Peter Willeit und die Virologin Wegene Borena im Anschluss an die COVID-19-Sonderimpfaktion im Tiroler Bezirk Schwaz durchgeführt hatten. Ziel dieser Studie war es zu untersuchen, wie hoch der Antikörperspiegel sein muss, um vor einer SARS-CoV-2-Infektion geschützt zu sein (die vorliegenden Daten beziehen sich auf die Delta-Variante). Die Studie schloss insgesamt 2.760 Personen im Alter von 16-82 Jahren ein, die etwa fünf Wochen zuvor die zweite Dosis des COVID-19-Impfstoffs BNT162b2 erhalten hatten. Zu Studienbeginn wurden mittels Fragebogen mögliche Impfreaktionen oder bereits durchgemachte SARS-CoV-2-Infektionen erhoben und der Immunstatus durch Bestimmung bindender und neutralisierender Antikörper wie auch der zellulären Immunität genau definiert. Über einen Zeitraum von sechs Monaten wurden wöchentlich Antigen- oder PCR-Tests durchgeführt und sowohl symptomatische als auch asymptomatische Corona-Neuinfektionen erfasst. „In diesen sechs Monaten hatten 68 Personen trotz Impfung eine Infektion. Drei Viertel der mit Corona infizierten Personen hatten Symptome, lediglich eine Person benötigte eine Versorgung im Krankenhaus. Keine verstarb mit oder an einer Infektion“, berichtet Peter Willeit. „Im Gegensatz zur T-Zell-Reaktion waren höhere bindende und neutralisierende Antikörper mit einem geringeren Risiko einer Durchbruchsinfektion mit SARS-CoV-2 verbunden. Der Anti-Spike-IgG-Spiegel zeigte eine besonders gute Vorhersage und könnte in der täglichen Praxis zukünftig ein geeignetes Instrument für die Risikoabschätzung einer Durchbruchsinfektion sein. Der längerfristige Schutz vor neu auftretenden Varianten von SARS-CoV-2 bleibt allerdings unklar.“
Die Publikation ist ein weiterer Meilenstein in der Corona-Forschung, die das Team um Peter Willeit in Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten der Medizin Uni Innsbruck und anderen Forschungsorganisationen durchführte. So wurde im Schuljahr 2020/2021 in der „Gurgelstudie“ (Schul-SARS-CoV-2-Monitoringstudie), einem Kooperationsprojekt der Medizinischen Universitäten Innsbruck und Graz sowie der Universitäten Wien und Linz in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsministerium, die Häufigkeit von SARS-CoV-2-Infektionen an 250 österreichischen Schulen erhoben und zeitliche Veränderungen der Infektionshäufigkeit sowie Zusammenhänge mit dem allgemeinen Infektionsgeschehen und sozialer Benachteiligung untersucht. In einer weiteren breit angelegten Studie analysierte Peter Willeit in enger Zusammenarbeit mit Harald Schennach (Blutbank) und dem Landesinstitut für integrierte Versorgung (Tirol Kliniken) die Höhe und den zeitlichen Verlauf von Antikörpertitern gegen SARS-CoV-2 in insgesamt über 110.000 Blutproben der Tiroler BlutspenderInnen. Als Leiter der REDUCE-Studie, die die Sonder-Impfaktion des Landes Tirol im Bezirk Schwaz wissenschaftlich begleitete, waren Peter Willeit und sein Team maßgeblich für die Studienkonzeption und -auswertung verantwortlich. „Ein Alleinstellungsmerkmal der REDUCE Studie war zu untersuchen, wie sich die rasche Impfung eines Großteils der Bevölkerung auf die Häufigkeit von SARS-CoV-2 Infektionen auswirkt im Vergleich zu anderen Tiroler Bezirken, in denen die Ausrollung der Impfungen deutlich langsamer erfolgte“, so Willeit.
Die SARS-CoV-2 Pandemie hat das Gesundheitssystem und die Wissenschaft vor große Herausforderungen gestellt und auch nach dem offiziellen Ende der Pandemie bleiben nicht wenige Fragen offen.
*) Klinische Studie mit Medikamenten nach der Zulassung.
(20.09.2023, Text: D. Heidegger, Bilder: Land Tirol/Berger, Birgit Pichler)
Weiterführende Links:
Sensitivity and specificity of the antigen-based anterior nasal self-testing programme for detecting SARS-CoV-2 infection in schools, Austria, March 2021 separator
Ultra-rapid rollout vaccination with BNT162b2 to reduce SARS-CoV-2 infections in the general population
Towards a European strategy to address the COVID-19 pandemic.
A look into the future of the COVID-19 pandemic in Europe: an expert consultation
Institut für Gesundheitsökonomie