Familiäre Hypercholesterinämie bei Kindern und Jugendlichen: hohe Prävalenz – niedrige Diagnoserate
Im Rahmen eines von der Österreichischen Atherosklerosegesellschaft (AAS) initiierten und seit acht Jahren laufenden Registerprojektes zur Erfassung von PatientInnen mit Familiärer Hypercholesterinämie (FH) in Österreich wurden nun auch die gesammelten Daten von betroffenen Kindern und Jugendlichen – unter aktiver Beteiligung von MitarbeiterInnen der Medizinischen Universität Innsbruck – in ein globales Registernetzwerk der European Atherosclerosis Society eingespeist.
Mehr als sechs Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind weltweit von Familiärer Hypercholesterinämie (FH) betroffen, ca. 450.000 Kinder werden jährlich mit FH geboren. FH ist mit einer geschätzten Prävalenz von ca. 1:300 (gleichbedeutend mit ca. 30.000 Betroffenen in Österreich) eine der häufigsten monogenen Stoffwechselstörungen und durch eine Erhöhung von LDL-C im Serum gekennzeichnet, die durch den reduzierten oder defekten Abbau von LDL bedingt ist. Die daraus resultierenden Ereignisse wie Herzinfarkte, Schlaganfälle, etc. können bei unbehandelter homozygoter FH bereits zu Todesfällen im Kindes- und Jugendalter führen, aber auch bei heterozygoter FH sollte eine Diagnose und ehestmögliche Therapie erfolgen. Das Problem: FH ist in Österreich, wie in vielen anderen Ländern auch, vor allem bei Kindern und Jugendlichen, stark unterdiagnostiziert. Nur 1,2 Prozent aller FH PatientInnen bekommen ihre Diagnose vor dem 18. Lebensjahr.
Familiäre Hypercholesterinämie
Mutationen im Gen für den LDL Rezeptor sind für rund 75 Prozent aller FH-Fälle verantwortlich. Die restlichen 25 Prozent werden durch Mutationen im Gen für Apolipoprotein B (dem Trägerprotein für LDL und damit Hauptliganden des LDL-Rezeptors), PCSK9, LDL-Rezeptor-Adapter-Protein (LDLR-AP), sowie Mutationen in noch unbekannten Genen verursacht beziehungsweise sind polygenen Ursprungs. Die klassische Form der FH folgt einem autosomal-dominanten Erbgang, eine Ausnahme bilden die seltenen Mutationen im LDLR-AP, die autosomal-rezessiv vererbt werden.
Screening auf FH und Aufbau eines nationalen Registers
Die österreichische Atherosklerosegesellschaft (AAS) hat unter ihrem damaligen Präsidenten Hans Dieplinger (Institut für Genetische Epidemiologie an der Med Uni Innsbruck) im Raum Wien, Graz und Innsbruck 2015 begonnen, ein Kaskadenscreening auf FH zu etablieren, um ein landesweites und flächendeckendes PatientInnenregister aufbauen zu können. Seit 2017 leitet Christoph Binder von der Medizinischen Universität Wien das FH Registerprojekt. Von der Medizinischen Universität Innsbruck sind Christoph Ebenbichler (Innere Medizin I, klinischer Projektleiter), Sabine Scholl-Bürgi und Daniela Karall (beide Pädiatrie I) die zuständigen ZentrumsleiterInnen der zu rekrutierenden und einzuschließenden FH PatientInnen im Raum Tirol, die genetischen Analysen wurden von Martina Witsch-Baumgartner und Johannes Zschocke am Institut für Humangenetik durchgeführt.
Gemeinsame Auswertung und hochkarätige Publikationen in globalem FH Register
Bisher wurden insgesamt rund 1.200 PatientInnen mit diagnostizierter FH in das österreichische Register aufgenommen. Die pseudonymisierten Daten wurden mittlerweile an das globale FH Register (FHSC) der European Atherosclerosis Society (EAS) weitergeleitet. Im Anschluss an die 2021 publizierte Auswertung der etwa 42.000 erwachsenen FH PatientInnen aus 56 Ländern in The Lancet (siehe Link unten) wurden nun die Ergebnisse von ca. 12.000 unter 18-Jährigen FH PatientInnen aus 48 Ländern (davon 143 aus dem österreichischen FH Register) ebenfalls in The Lancet publiziert (siehe Link unten).
„In dieser Altersgruppe, also bei Kindern und Jugendlichen, treten kaum klinische Manifestationen der FH auf, deshalb ist neben der Messung des LDL-Cholesterins die genetische Abklärung essentiell für die Diagnose und adäquate Behandlung von FH“, beschreibt Hans Dieplinger die Schlüsselerkenntnis. Basierend auf diesen Ergebnissen weisen die AutorInnen der Studie auch dringend auf die Notwendigkeit eines flächendeckenden Populationsscreenings zur Früherkennung von FH hin.
(25.01.2024, Text: red/Dieplinger, Bild: AdobeStock/Dr_Microbe)
Links:
EAS Familial Hypercholesterolaemia Studies Collaboration (FHSC). Lancet. 2021 Sep 7:S0140-6736(21)01122-3. doi: 10.1016/S0140-6736(21)01122-3. PMID: 34506743
European Atherosclerosis Society Familial Hypercholesterolaemia Studies Collaboration. Lancet. 2024 Jan 6;403(10421):55-66. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01842-1. Epub 2023 Dec 12. PMID: 38101429
Institut für Genetische Epidemiologie
Universitätsklinik für Innere Medizin I
Universitätsklinik für Pädiatrie I
Österreichische Atherosklerosegesellschaft