Getrennt und doch verbunden
Vor 20 Jahren wurde die Medizinische Fakultät aus der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck herausgelöst und als eigene Medizinische Universität etabliert. An diesem Schritt fanden anfangs nicht alle Gefallen. Heute ist die Medizinische Universität Innsbruck als eigenständige Bildungs- und Forschungseinrichtung und Mitbegründerin der Uniklinik unersetzlich geworden. Ihrer Schwesteruniversität ist sie dabei nicht nur räumlich nahe geblieben.
Darüber und wie sich das Zusammenleben und -arbeiten am Forschungsstandort Innsbruck 20 Jahre später gestaltet, sprechen Wolfgang Fleischhacker, Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck und die Rektorin der Universität Innsbruck, Veronika Sexl.
Herr Rektor Fleischhacker, wie haben Sie persönlich die Trennung damals erlebt?
Wolfgang Fleischhacker: Schmerzlich und mühsam. Wir waren als Medizinische Fakultät eigentlich – bis auf wenige Ausnahmen – gegen die Herauslösung aus dem gesamtuniversitären Kontext. Ich war damals ein begeistertes Mitglied des Senats gewesen und habe mich mit großer Freude mit Kolleginnen und Kollegen aus dem geisteswissenschaftlichen Bereich aus- getauscht. Ich hatte Befürchtungen, das ginge verloren, wenn wir ausgegliedert würden, das dachten auch die meisten Angehörigen der medizinischen Fakultät. Ein Problem der neuen Medizin war auch, dass der damalige Rektor der Leopold-Franzens Universität aus der Wirtschaft kam und unser Rektor Arzt und Biochemiker war, dementsprechend haben sich auch die Verhandlungen zur Personal- und Finanzzuteilung gestaltet. Also ganz gut haben wir dabei nicht abgeschnitten, das hat uns auch jahrelang belastet. Grundsätzlich wäre ich aber gern in einer gemeinsamen Uni. Genauso grundsätzlich fände ich es jetzt aber nicht klug, die beiden Universitäten wieder zu vereinigen.
Frau Rektorin Sexl, Sie waren damals als junge Forscherin an der Uni Wien bzw. an der Medizin Uni Wien. Haben Sie das ähnlich erlebt?
Veronika Sexl: Also für uns war das nicht mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden. Ich war zu dieser Zeit mit zwei kleinen Kindern und dem Aufbau einer eigenen Forschergruppe beschäftigt. Ich kam gerade aus den USA zurück und plötzlich war aus dem Dekan Schütz der Rektor Schütz geworden.
Fleischhacker: Wobei man dazu sagen muss, dass in Wien die Situation sehr viel klarer war. Die Wiener Uni und die Medizinische Fakultät dort waren mit diesem Plan durchaus einverstanden.
Nun sind die beiden Unis seit 20 Jahren getrennt. Wo sind sie heute noch eng verbunden?
Sexl: Zusammenarbeit und Interaktion gibt es auf vielen Ebenen. Und dabei haben wir sehr viel Spaß, oder? Erzähl du, Wolfgang.
Fleischhacker: Genau! Wir haben Spaß und Freude an der Zusammenarbeit. Natürlich sind wir zwei Universitäten und in gewissem Maße auch im Wettstreit, vor allem was das Akquirieren von Mitteln anbelangt. Aber wir haben viele gemeinsame Projekte entwickelt und haben einen regen Austausch – klarerweise mehr auf der Gesundheits- und Life Sciences Ebene, als zum Beispiel mit den Vergleichenden Literaturwissenschaften. Wir bemühen uns zudem im Rahmen der Tiroler Hochschulkonferenz, dieses Gemeinsame wieder mehr herauszuarbeiten.
Sexl: Medizin geht ja sowieso nicht ohne Grundlagenforschung, die Medizin Uni ist ja auch berühmt dafür. Als Forscherin hatte ich ja sowohl zur Medizin in Innsbruck als auch zur Uni Innsbruck sehr intensive Beziehungen. Ich war mit beiden vernetzt und ich sehe das in dem Bereich wirklich als Kontinuum. Die Grenzen der Universitäten sind eigentlich künstliche Grenzen, würde ich sagen. Man sieht diese Kontinuität auch ganz wunderbar am CCB, wo die Arbeiten beider Universitäten sehr gut ineinanderfließen. Und ich würde mir wünschen, dass wir das intensivieren.
Profitiert der Wissenschaftsstandort davon, dass es zwei Universitäten gibt?
Sexl: Die Frage würde ich so nicht stellen. Wir haben zwei ganz großartige, dynamische Universitäten und wir machen das Beste draus. Wir blicken nach vorn, nicht zurück. Und falls es irgendwelche administrativen Widerstände gibt, versuchen wir, diese abzubauen.
Fleischhacker: Natürlich haben wir unterschiedliche Schwerpunkte, das ist im Auftrag unserer Universitäten festgeschrieben, damit können wir gut leben.
Wird das auch auf anderen Ebenen der Unis so gelebt?
Fleischhacker: Ja, und man muss dazu sagen, das gab es hier schon vor unserer Zeit. Im wissenschaftlichen Bereich gab es immer schon eine lebendige Zusammenarbeit zwischen den beiden Universitäten. Hier kam schon immer das klassische Bottom-up Prinzip zum Tragen. Auf der Leistungsebene bleibt uns lediglich, die einen oder anderen Wege zu ebnen.
Sexl: Ja das sehe ich auch so.
Es gibt bereits ein gemeinsames Studium, eine gemeinsame Professur, gemeinsame Forschungsbereiche. Welche gemeinsamen Projekte kommen noch?
Fleischhacker: Die zwei im Moment größten gemeinsamen Projekte sind die Einrichtung eines interuniversitären Instituts, ein biomedizinisches Forschungs- und Entwicklungszentrum mit starker Unterstützung des Landes Tirol; das zweite Projekt – und das wird eine Herausforderung – betrifft den Vorschlag für ein neues Psychotherapiegesetz. Die Psychotherapieausbildung soll ja eine universitäre werden, das begrüßen beide Universitäten. Auch hier wollen wir ein gemeinsames Studium anbieten. Apropos gemeinsam: Natürlich sind wir gemeinsam stärker, ich denke zum Beispiel an die Sportmedizin. Wenn wir hier beim Land Tirol nicht als Konkurrentinnen, sondern als Partnerinnen auftreten und etwa für ein tolles Projekt im sportmedizinischen Bereich Unterstützung vom Land Tirol suchen, dann ist das gemeinsam einfacher und zielführender.
Sexl: Wir haben mit dem gemeinsamen Masterstudium Pharmaceutical Sciences und mit der, mit Anne Hecksteden besetzten gemeinsamen Professur für Sportmedizin einen sehr erfolgreichen Weg beschritten, den wir weiter ausbauen werden.
Dieses Interview erschien in der März-Ausgabe der Straßenzeitung 20er.
(07.03.2024, Interview: D. Heidegger, Foto: MUI/D. Bullock)