„Zell-Antenne“ ist wichtig bei Lebertransplantation
Hannah Esser von der Univ.-Klinik für Vizeral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie an der Med Uni Innsbruck hat während ihres Doktoratsstudiums in Schottland die Zilien von Gallengangszellen untersucht. Die beeindruckenden Ergebnisse könnten die Prognose für Gallenwegskomplikationen nach Lebertransplantationen wesentlich verbessern. Die Studie, in der sie als Erstautorin firmiert, wurde nun im Journal of Hepatology publiziert.
Bei rund einem Viertel der PatientInnen entstehen nach einer Lebertransplantation Gallengangskomplikationen, die das Langzeitüberleben der OrganempfängerInnen mitunter maßgeblich beeinflussen können. Etwa drei Prozent der in Innsbruck behandelten PatientInnen entwickeln eine bedrohliche Cholangiopathie, die eine erneute Transplantation erfordert. Hannah Esser, Assistenzärztin an der Universitätsklinik für Viszeral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie (Direktor: Stefan Schneeberger) hat während ihres PhD-Studiums im Labor von Stuart Forbes am Center for Regenerative Medicine in Edinburgh unter Anleitung von Sofia Ferreira-Gonzalez untersucht, von welchen Faktoren die Regeneration der Gallengänge abhängig sind und dafür speziell das Cilium (auch: Zilie) unter die Lupe genommen. Dabei sind die ForscherInnen zu bedeutsamen Ergebnissen gekommen. Das renommierte Journal of Hepatology hat die Studie nun veröffentlicht.
„Das Cilium ist eine Zellorganelle, die wie eine kleine Antenne auf der Gallengangszelle sitzt und viele Vorgänge, wie z.B. die Fließgeschwindigkeit oder den pH-Wert der Galle, misst. Viele unterschiedliche Signalwege, die wichtig für die Zelle sind, laufen über das Cilium ab, sodass die Zelle dann auf ihre Umwelteinflüsse reagieren kann“, erklärt Erstautorin Esser anschaulich die zentrale Aufgabe dieser Zellstruktur. Allerdings nehmen die Zilien während der kalten Lagerung und während der Transplantation (Reperfusion) von Spenderlebern Schaden, sodass die Zellfunktion massiv gestört wird. „Die Zelle ist dann zwar noch da, aber wie gealtert, im Englischen spricht man von cellular senescene. Sie funktioniert nicht und teilt sich auch nicht mehr“, erläutert Esser weiter. Damit aber noch nicht genug: Während Hepatozyten, also Leberzellen, die zugrunde gehen, verschwinden und vom Körper neu produziert werden, verbleiben geschädigte Cholangiozyten (Gallengangszellen) im Organismus und stecken die umliegenden gesunden Gallengangszellen an. „Das kann man sich vorstellen wie ein fauler Apfel in der Obstschale.“ Diesen Prozess konnten die ForscherInnen in Schottland in Experimenten nachweisen, in denen sie den Verlust der Zilie gezielt herbeiführten. Für diese Untersuchungen entwickelten Ferreira und Esser ein Mausmodell und Organoide. Die Gewebeproben von später transplantierten Spenderorganen bezogen sie von der UK-Biobank Quod, jene der abgelehnten Organe über NHSBT (eine Plattform für Organe, die für die Forschung freigegeben werden). „Wir haben gesehen, dass mehr LeberempfängerInnen Gallengangskomplikationen entwickeln, wenn die Zilien vor der Transplantation schon sehr kurz sind.
In weiteren experimentellen Untersuchungsschritten haben die Wissenschafterinnen jene Lebern, die zuvor für eine Transplantation abgelehnt worden waren, mit einem Senolytikum perfundiert mit dem Ergebnis, dass die verbliebenen gesunden Gallengangszellen proliferierten und weniger seneszente Zellen übrigblieben. „Das haben wir schon zuvor in einer Studie publiziert. In dieser Arbeit konnte ich jetzt noch zusätzlich zeigen, dass die Cholagiozyten dann auch längere Zilien haben“, sagt Esser.
Ihre Studienergebnisse sind von weitreichender Relevanz, da es bis dato noch keine Viabilitätsmarker für Cholangiozyten gab und es daher nicht möglich war, vor der Transplantation eine Aussage über die Fitness der Gallengänge zu treffen. Folglich konnte auch keine Prognose gestellt werden, ob mit einer künftigen Komplikation, die eine rasche Retransplantation erfordert, zu rechnen ist. Der Zustand des Ciliums könnte künftig als solcher Marker dienen, um das Auftreten von Cholangiopathien zu reduzieren. Angesichts mangelnder Spenderorgane ist es ein weiteres, langfristiges Ziel der TransplantationsmedizinerInnen, Methoden und Wirkstoffe zu erforschen, die das Cilium schützen bzw. regenerieren.
Die Forschungsarbeit wurde von UK Medical Research Council (MRC), European Society for Organ Transplantation und Scottish Enterprise gefördert und zur Gänze in der Forschungsgruppe von Stuart Forbes durchgeführt.
(Innsbruck, 30. Oktober 2024, Text: T. Mair, Fotos: MUI/D. Bullock)
Forschungsarbeit:
Hannah Esser, Alastair Morris Kilpatrick, Tak Yung Man, Rhona Aird, Daniel Rodrigo-Torres, Madita Lina Buch, Luke Boulter, Sarah Walmsley, Gabriel Corneliu Oniscu, Stefan Schneeberger, Sofia Ferreira-Gonzalez, Stuart John Forbes, Primary cilia as a targetable node between biliary injury, senescence and regeneration in liver transplantation,Journal of Hepatology,2024, https://doi.org/10.1016/j.jhep.2024.06.002