Entdeckungsreise Gender: Kinder und Jugendliche auf der Suche nach ihrer Geschlechtsidentität
Zum 11. Mal lädt dieses Jahr Kathrin Sevecke, Primaria der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Hall und Direktorin der Innsbrucker Univ.-Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik im Kindes- und Jugendalter, Expert:innen ein, um im Rahmen eines Kongresses am 24. und 25. Jänner aktuelle Forschungs- und Behandlungsansätze zum Thema Genderidentität bei Kindern und Jugendlichen zu diskutieren.
Internationale Studien zeigen, dass drei bis acht Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Laufe ihrer Adoleszenz an ihrer Geschlechtsidentität zweifeln. „Auffallend ist, dass in den letzten Jahren mehr und mehr Jugendliche in der Geschlechtsdysphorie-Sprechstunde vorstellig wurden und es werden mehr“, erklärt Kathrin Sevecke. Einen Grund hierfür sieht sie in einer immer offeneren und toleranteren Gesellschaft, die Zweifel, Hinterfragen und Abweichungen zulasse. Von Geschlechtsdysphorie spricht man, wenn die gelebte oder empfundene Geschlechterrolle nicht mit dem Geburtsgeschlecht übereinstimmt und dadurch ein Leidensdruck entsteht. In ersten Gesprächen mit den Kindern und Jugendlichen geht es darum, mögliche Ursachen für das Unwohlsein im eigenen Körper oder mit dem eigenen Geschlecht zu entdecken und besser zu verstehen. „Die Erforschung der eigenen Identität ist eine Reise mit offenem Ziel. Eine Reise, auf der vieles ausprobiert werden darf“, so Martin Fuchs, Leitender Oberarzt an der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik in Hall.
Während der Diagnostikphase werden die Sehnsüchte und Wünsche ohne Wertung besprochen. Manchmal steht am Ende dieser Phase ein gänzlich anderes Thema im Zentrum als jenes, das ursprünglich behandelt werden sollte. Ebenso kann es aber beim Wunsch bleiben, das eigene Geschlecht zu verändern
Hilfe
An der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie gibt es eine eigene Geschlechtsdysphorie-Sprechstunde. Hier werden im multiprofessionellen Team Diagnostik, Beratung, Betreuung und Therapie angeboten. „Das Gefühl von Akzeptanz und einem „Angenommen-Sein“ ist für Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie von zentraler Wichtigkeit und ermöglicht eine schrittweise Annäherung an mögliche positive Veränderungsschritte“, so Fuchs, Leiter der Sprechstunde.
Behandlungsmöglichkeiten
Nach Abschluss der Diagnostik erstellen Expert:innen der Kinderklinik, der Univ.-Klinik für Gynäkologische Endokrinologie und der Kinder- und Jugendpsychiatrie einen individuellen Behandlungsplan. Dieser umfasst in jedem Fall eine psychotherapeutische Begleitung, welche nach Einsetzen der Pubertät und bei anhaltender Geschlechtsinkongruenz durch körpermedizinische Maßnahmen ergänzt werden kann. Operative Maßnahmen im Genitalbereich sind in Österreich vor dem 18. Lebensjahr nicht erlaubt.
Fakten und Zahlen
- In der Sprechstunde für Geschlechtsdysphorie der Kinder- und Jugendpsychiatrie wurden im Jahr 2024 ca. 30 Kinder und Jugendliche vorstellig. Insgesamt nahmen in den letzten zehn Jahren ca. 200 Kinder und Jugendliche und deren Eltern eine Beratung in Anspruch, mit steigender Tendenz in den letzten Jahren.
- Knapp über 100 Jugendliche entschieden sich in den letzten zehn Jahren für eine geschlechtsangleichende Hormonbehandlung. Von diesen brachen drei die Behandlung ab.
- Am Transgender-Center Innsbruck werden alle Fälle im interdisziplinären „Transgender-Board“ besprochen.
- Internationale Studien zeigen, dass drei bis acht Prozent aller Kinder und Jugendlichen im Laufe ihrer Adoleszenz an ihrer Geschlechteridentität zweifeln.
(Innsbruck, 21. Jänner 2025, Text: tirol kliniken/I. Schirmer, Foto: MUI/D. Bullock)
Weitere Informationen:
Programm und Informationen zum 11. Kinder- und Jugendpsychiatrie Kongress (24. – 25.1. 2025)
Univ.-Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie