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Sabine Liebscher ist neue Professorin für Systemische Neurobiologie

Mit der Berufung der Ärztin und Neurobiologin Sabine Liebscher auf die § 98 Professur für Systemische Neurobiologie hat das Institut für Neurobiochemie seit 1. Feber 2025 auch eine neue Direktorin. Die Nachfolgerin von Christine Bandtlow möchte die molekulare Expertise am Biozentrum für ihre Forschung zu Schaltkreismechanismen bei Erkrankungen des zentralen Nervensystems nutzen und wird den Neuroschwerpunkt am Standort stärken.

Schon der Tag der Vertragsunterzeichnung bei Rektor Wolfgang Fleischhacker im Dezember des Vorjahres war für Sabine Liebscher mit zahlreichen Terminen und Treffen vor Ort gefüllt. Geht es nach der gebürtigen Dresdnerin, dann soll der Austausch und Kontakt mit WissenschafterInnen aus den neurowissenschaftlichen Bereichen an der Med Uni Innsbruck so intensiv bleiben und in fruchtbare Zusammenarbeit münden. „Am Biozentrum sehe ich eine gute komplementäre Expertise. Meine immer schon sehr kooperativ ausgerichtete Forschungsarbeit wird sich mit den molekularbiologischen und biostatistischen Ansätzen am Biozentrum, aber auch mit anderen neurowissenschaftlichen Teams an der Med Uni gut verbinden und fortsetzen lassen“, so Liebscher.

Zwei-Photonenmikroskopie als Schlüsseltechnologie

Bisher hatte Sabine Liebscher eine W2 Professur für Zelluläre Neurophysiologie an der Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln inne und forschte mit ihrer Gruppe auch noch am Institut für Klinische Neuroimmunologie des Klinikums der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ihr besonderes Interesse als Forscherin und Ärztin, die Pathologie neurodegenerativer Erkrankungen, hatte Sabine Liebscher bereits während ihrer Promotion am Max-Planck-Institut für Neurobiologie und der Abteilung für Biochemie an der LMU für sich entdeckt, ebenso wie die Methodik der in vivo Zwei-Photonen-Bildgebung in Mausmodellen. Damit bringt die bereits mehrfach ausgezeichnete Forscherin Licht in die Interaktion verschiedener Arten von Nerven- und Gliazellen in bestimmten Hirnschaltkreisen. „Wir versuchen, die Wissenslücke zwischen klinischen Symptomen, die bei neurodegenerativen Erkrankungen typischerweise zu sehen sind, und den bekannten molekularen Veränderungen zu schliessen. Dabei ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass Nervenzellen sehr verschieden sind und sowohl in kleineren lokalen Schaltkreisen als auch in großen Netzwerken auf sehr komplexe Weise verschaltet sind. Die Art dieser Verschaltung bzw. die Störung dieser innerhalb komplexer neuronaler Netzwerke unterliegt letztlich den Symptomen, die wir an Menschen sehen. Um Funktionsstörungen einzelner Nervenzelltypen zu untersuchen, nutzen wir daher Mausmodelle und die sogenannte in vivo Zwei-Photonenmikroskopie, welche es uns erlaubt, diese Netzwerke zu beobachten, während die Maus sich bewegt, etwas lernt oder einen sensorischen Input bekommt“, umschreibt Liebscher ihren Forschungsansatz. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Erforschung der Schaltkreismechanismen der neurodegenerativen Erkrankung ALS (Amyotrophe Lateralsklerose, einer verheerenden, unheilbaren Motoneuron-Erkrankung). Gemeinsam mit ihrem Team und im engen Austausch mit internationalen Kollaborateuren konnte Liebscher hier bereits wichtige Erkenntnisse beitragen, etwa zur verbesserten Diagnostik der Erkrankung als auch zu gänzlich neuen Therapieansätzen. „Untersuchungen aus meiner Gruppe haben auch gezeigt, dass Schaltkreisdefizite neurodegenerative Prozesse sogar auslösen und antreiben und von Neuronen ausgehen können , die scheinbar nicht von der Degeneration selbst betroffen sind“, betont Liebscher, deren Erkenntnisse stets darauf abzielen, in klinisch anwendbare diagnostische und therapeutische Ansätze übersetzt zu werden. Dabei stehen in ihrem Labor nicht nur die zellulären und Schaltkreis-Mechanismen bei ALS im Fokus, sondern auch die anderer neurodegenerativer und neuroimmunologischer Erkrankungen.

Glossar:
Das Zwei-Photonen-Fluoreszenzmikroskop ist heute in vielen biomedizinischen Forschungslaboren zu finden. Damit können Zellen mit erstaunlicher Klarheit vergleichsweise tief im lebenden Gewebe und über längere Zeitspannen hinweg beobachtet werden.
Die Grundlage des Mikroskops bildet ein Laserstrahl, der ultrakurze, intensive Laserpulse mit sehr hoher Photonendichte aussendet. Treffen zwei Photonen zeitgleich auf ein Fluoreszenzmolekül, können sie dieses entsprechend anregen. Die Anregung erfolgt sehr fokussiert und nur im Fokusbereich des Laserstrahls. So wird das Gewebe geschont und vor Ausbleichen und Fototoxizität bewahrt. Die Fluoreszenzanregung erfolgt beim Zwei-Photonen-Mikroskop mit Licht im tiefroten oder infraroten Bereich.
Ein Hauptanwendungsgebiet der Zwei-Photonen-Mikroskopie ist die Neurobiologie. Im Gehirn und Nervensystem sind die Zellen intensiv miteinander vernetzt und streuen dadurch das Licht besonders stark. Gerade in diesem Forschungsbereich konnte die Zwei-Photonen-Mikroskopie somit völlig neuartige Einblicke in das intakte Gewebe eröffnen und ermöglicht Rückschlüsse auf das Verhalten von Nervenzellen unter physiologischen Bedingungen.

Die in vivo Zwei-Photonen-Bildgebung ist für die Neurobiologin und ihr Team stets die Methode der Wahl, um die Beteiligung verschiedener Schaltkreiselemente an der Pathogenese der jeweiligen Erkrankung zu beleuchten. „Diese Schlüsseltechnologie ermöglicht es, neuronale Strukturen und Funktionen chronisch zu überwachen und zu charakterisieren und ist eigentlich aus der Idee entstanden, zu verstehen, wie das Hirn per se funktioniert. Wir verstehen jetzt immer besser die Funktionsweise verschiedener Zelltypen und wie sie miteinander verknüpft sind und können vor allem ‚live‘ dabei zuschauen, wie sich die Struktur und Funktion von Zellen ändern, wenn  eine molekulare Pathologie vorhanden ist. So wird einem klar, dass Krankheiten, gerade in einem komplexen System wie dem Gehirn, nicht nur entstehen, weil einige Zellen sterben, sondern weil ein komplexes Gleichgewicht gestört ist. Wenn eine Erkrankung fortschreitet, kann sich auch die Pathologie und die Funktionsstörung der Nervenzellen verändern, das müssen wir bei der Therapieforschung bedenken“, betont die Neurobiologin, deren Labor eines von wenigen ist, das diese Art von Forschung im Kontext von Erkrankungen durchführt.

Sabine Liebscher freut sich auf die Fortsetzung ihrer Arbeit am neuen Standort und hat dafür einen Teil ihres Teams – Doktoranden und Postdocs – mit nach Innsbruck genommen. Der familiäre Nachzug ist derweil noch nicht ganz abgeschlossen und mit drei Kindern durchaus eine Herausforderung, die nach „gutem Organisationswillen“ verlangt. „Innsbruck hat eine gute Größe und die Natur ist einfach wunderschön. Auch, wenn die erste halbe Stunde mit Murren verbunden ist, gehen wir mit den Kindern oft wandern, wir lieben die Berge“, so Liebscher.

(03.02.2025, Text: D. Heidegger, Bild: MUI/Bullock)

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