Wertvolle Daten zum Verhältnis von Eisenstoffwechsel und Immunantworten bei Kindern mit Infektionen in Gabun
In afrikanischen Ländern nehmen viele Kinder aufgrund von Mangelernährung zu wenig Eisen auf. Die daraus resultierende Blutarmut (Anämie) ist mit Wachstumsstörungen und eingeschränkter körperlicher und kognitiver Entwicklung verbunden. Andererseits führt die Zufuhr von Eisen mit der Nahrung häufiger zu schweren bakteriellen Infektionen oder Malaria. Schon wegen der weitreichenden gesundheitlichen Folgen für Kinder kommt der Aufklärung dieser komplexen Zusammenhänge besondere Bedeutung zu.
Das Centre de Recherches Médicales de Lambaréné (CERMEL) in Gabun ist eines der führenden Einrichtungen für Malariaforschung in Afrika, das auch Praktikumsmöglichkeiten für junge Ärztinnen und Ärzte bietet. Das Interesse an tropenmedizinischer Forschung war es auch, das den jungen Mediziner Wolfram Mayr für einen zehnmonatigen Studienaufenthalt in dieses Land südlich der Sahara führte, wo nicht nur Infektionen, sondern vor allem auch Eisenmangel und Anämien unter Kindern weitverbreitet sind und erheblich zu Krankheitslast und Sterblichkeit beitragen.
Forscherinnen und Forscher des Centre de Recherches Médicales de Lambaréné (CERMEL) in Gabun. ©CERMEL
Studien haben gezeigt, dass eine Eisensupplementierung die Anfälligkeit für verschiedene Infektionskrankheiten erhöhen und deren Kontrolle erschweren kann und hohe Eisenspiegel im Blut mit einem erhöhten Risiko und schlechteren Ergebnissen bei bakteriellen Infektionen in Verbindung stehen. Die Optimierung von Eisen-Supplementierungsstrategien ist deshalb besonders wichtig.
„Eisen spielt nicht nur für viele Stoffwechselprozesse eine Rolle, sondern auch für die Effektivität des Immunsystems. Es gibt eine Reihe von Studien, auch aus unserem Labor, die zeigen, dass die Verfügbarkeit von Eisen für die Bildung von Immunzellen, für deren Differenzierung und für die Effektivität von antimikrobiellen Abwehrmechanismen eine zentrale Rolle spielt. Andererseits benötigen viele Mikroben Eisen als zentralen Wachstumsfaktor. Deshalb ist das Verständnis dieser Wechselwirkung zwischen Eisenstoffwechsel, Immunologie und Infektionskrankheiten essentiell, um schwere Infektionen zu verhindern und Blutarmut vor allem in Regionen mit einer hohen Infektionsgefährdung , wie in Zentralafrika, sicher durch Eisensupplementierung behandeln zu können.“, erklärt Infektiologe und Tropenmediziner Günter Weiss, der die komplexen Wechselwirkungen zwischen Anämie, Eisenmangel, Infektionskrankheiten und Immunaktivierung bereits seit vielen Jahren erforscht; vor allem systemische Untersuchungen der therapeutischen Effektivität etablierter und neuer oraler und intravenöser Eisenpräparate bei Entzündungsprozessen standen im Fokus seines „CD-Labors für Eisenstoffwechsel und Anämieforschung“ an der Med Uni Innsbruck.
Haben den Eisenstoffwechsel und die Immunaktivität gabunischer Kinder im Blick: Wolfram Mayr (l.) und Klinik-Direktor Günter Weiss. ©MUI/D. Bullock
Die aktuelle, im Fachjournal „Communications Medicine“ (Nature Gruppe) veröffentlichte retrospektive Studie von Günter Weiss, Wolfram Mayr und der von Selidji Agnandji geführten BIOSS Arbeitsgruppe am CERMEL kann nun eine erste Übersicht zu den Assoziationen von Anämie-, Eisenmangel-, Immunstatus und Infektionsgeschehen bei Kindern in Gabun liefern. Die Informationen wurden von Wolfram Mayr vor Ort mittels Analyse von Blutbildern, sowie Eisen- und Zytokinparametern anhand der Daten von 415 Kindern im Alter von zwei bis 17 Jahren, die an akuten fieberhaften Erkrankungen, vor allem Malaria, litten und in Lambaréné behandelt worden waren, erhoben und retrospektiv analysiert. „Obwohl die Labor- und Forschungsbedingungen in Gabun nicht mit den unseren vergleichbar sind, schafft CERMEL eine Infrastruktur, welche die Auswertung und Diagnostik vor Ort ermöglicht“, berichtet Mayr, der inzwischen wieder als Assistenzarzt in Innsbruck tätig ist und gerade seine PhD-Ausbildung absolviert.
Von den 197 Kindern, deren Hämoglobin- und Eisenparameter vorlagen, waren 145 (73,6%) anämisch, 53 Kinder (36,6%) zeigten eine Entzündungsanämie, 11 Kinder (7,6%) eine Eisenmangelanämie und 29 Kinder (20,0%) eine kombinierte Form beider Anämiearten. Die Studie macht deutlich, dass Kinder mit Malaria andere Immun-Antworten zeigen, als Kinder ohne Malaria. So war etwa die Transferrinsättigung in der Malaria-positiven Gruppe negativ mit bestimmten Zytokinen (Botenstoffen des Immunsystems) assoziiert, während bei Malaria-negativen Kindern mit unbestimmten Pathogenen andere Immunmarker positiv mit den Serumeisenmarkern Transferrinsättigung und Ferritin korrelierten. „Die meisten Daten zum Eisenstoffwechsel stammen von Europäerinnen und Europäern und nicht aus Regionen, in denen so viele verschiedenen Infektionen auftreten. Ein Normalwert in Europa entspricht also nicht dem Normalwert in Subsahara-Afrika“, beschreibt Günter Weiss eine Tatsache, die bei der Auswertung von Daten stets mitgedacht werden muss. Auch aus diesem Grund stellt die neue Studie einen wichtige Grundalge für weitere Untersuchungen dar.
„Letztendlich wollen wir Klarheit darüber gewinnen, wieviel Eisen den Kindern sicher verabreicht werden kann, um eine Anämie mit damit verbundenen negativen Folgen zu verhindern und gleichzeitig einen Schutz vor Infektionen zu gewähren“, wirft Mayr schon einen Blick in die Zukunft. In einer prospektiven Folgestudie wollen die ForscherInnen noch genauer eingrenzen, unter welchen Bedingungen eine derartige Therapie sicher ist und welche tropischen Infektionen nicht nur in Zusammenhang mit Veränderungen des Eisenstatus und deren Auswirkungen auf das Immunsystem stehen, sondern auch gehäuft auftreten. Besonders relevant ist das deshalb, da Kinder in Gabun fortwährend auch weiteren parasitären Infektionskrankheiten ausgesetzt sind – beispielsweise Hakenwürmern oder dem afrikanischen Augenwurm –, die andere Effekte auf das Immunsystem haben als beispielsweise Malaria oder bakterielle Infektionen.
Ein tieferes Verständnis der Zusammenhänge von Eisenmetabolisms, Immunitätslage, Infektionsrisiko und -verlauf und daraus ableitbare verbesserte Strategien zur Behandlung von Eisenmangelanämie könnten die Gesundheit und Lebensqualität von Kindern in Afrika jedenfalls nachhaltig verbessern.
(28.09.2025, Text: D. Heidegger, Bilder: MUI/D. Bullock, CERMEL, Canva)
Links:
Iron homeostasis and cytokine responses in Gabonese children with febrile illness. Mayr, W., Ndong, P.E., Alabi, A. et al. I, Commun Med 5, 305 (2025)
https://doi.org/10.1038/s43856-025-00988-3
CERMEL
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