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DiskussionsteilnehmerInnen Podiumsdiskussion

Harmonisierung in der Medizinausbildung

Im Rahmen des Curriculumstages der Medizinischen Universität Innsbruck fand Ende Januar eine Diskussion zur Harmonisierung der Medizinausbildung statt. Über Maßnahmen zur Änderung der post- und praegraduellen Ausrichtung diskutierten Rektor Univ.-Prof. Dr. Herbert Lochs, Landesrat Univ.-Prof. DI Dr. Bernhard Tilg, der Präsident der Tiroler Ärztekammer, Dr. Artur Wechselberger, die Ärztliche Direktorin der TILAK, Dr. Alexandra Kofler und Phillip Renz (Medizin-ÖH).

In seinem Anfangsstatement betonte der Rektor der Medizinischen Universität Innsbruck wie wichtig eine Harmonisierung der Medizinausbildung ist, um die Mobilität der Studierenden zu verbessern. „Wir brauchen eine Abstimmung der Curricula innerhalb Österreichs, aber auch innerhalb der EU, um es Studierenden zu ermöglichen zu wechseln“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Herbert Lochs. „Mit Vizerektor Norbert Mutz hat die Medizinische Universität Innsbruck diese Diskussion in Österreich vorangetrieben. Das in Innsbruck bereits eingeführte Klinisch-Praktische Jahr (KPJ) im 6. Studienjahr wird ab dem Studienjahr 2014/15 mit Wien und Graz abgestimmt österreichweit durchgeführt werden. Auch das Innsbrucker Modell der Lehrkrankenhäuser und -abteilungen, die regelmäßig evaluiert werden, um die Qualität der Lehre zu sichern, macht Schule.“ Das von Vizerektor Univ.-Prof. Dr. Norbert Mutz eingeführte KPJ wurde auch von Landesrat Univ.-Prof. DI Dr. Bernhard Tilg gelobt. „Die Verzahnung in die Praxis über das KPJ funktioniert sehr gut. Wir haben hier auch die Möglichkeit, dass AbsolventInnen durch ihre Tätigkeit in heimischen Praxen und Krankenhäusern in Tirol bleiben.“ Der Gesundheits- und Wissenschaftslandesrat hob auch die Bedeutung von Lehrpraxen in ländlichen Gegenden hervor. „Es muss uns gelingen, junge Ärztinnen und Ärzte aufs Land zu bringen.“

Verkürzung der postgraduellen Ausbildung
Für den Präsidenten der Ärztekammer Tirol, Dr. Artur Wechselberger, ist eine wichtige Aufgabe der Zukunft die Verkürzung der postgraduellen Ausbildung. „Die Ausbildung nach dem Studienabschluss muss schnell und effizient erfolgen. Wir werden es uns nicht leisten können, dass unsere FachärztInnen zwei bis drei Jahre länger brauchen als andere in Europa. Das ist ein Wettbewerbsnachteil.“ Derzeit wird daran gearbeitet, anschließend an das Studienende eine neunmonatige Grundausbildung, die alle durchlaufen, anzubieten. „Erst dann erfolgt der Übertritt in eine Facharztausbildung.“ Um das zu ermöglichen, müssten allerdings bestimmte Nebenfächer wegfallen.
Auch der stellvertretende Vorsitzende der ÖH-Medizin, Philipp Renz, forderte eine kürzere postgraduelle Ausbildung. „Eine postgraduelle Ausbildung in Österreich dauert bis zu neun Jahre. Wer auch noch wissenschaftlich tätig ist, braucht unter Umständen noch länger. Da sehe ich noch viel Verbesserungsbedarf.“ Insbesondere durch eine Umstrukturierung des Studiums ergeben sich gute Möglichkeiten, die postgraduelle Ausbildung zu verkürzen, meint Renz.

Hohe Bedeutung der Soft Skills
Für die Ärztliche Direktorin der TILAK, Dr. Alexandra Kofler, ist es vor allem wichtig, dass in der Diskussion um die zukünftige Medizinausbildung besonders auch auf die so genannten Soft Skills geachtet wird. „Ein Krankenhausträger wünscht sich, dass die ÄrztInnen ihre Motivation und ihren Idealismus erhalten können. Unsere ÄrztInnen brauchen das Bewusstsein, dass Medizin auch Kommunikation mit Menschen ist.“ Wünschenswert ist für Kofler daher, dass die KollegInnen der Medizinischen Universität Innsbruck auch in das berufsbegleitende Angebot der TILAK eingebunden werden, um die wichtigen Soft Skills-Kenntnisse fördern zu können.

Maßnahmen gegen drohenden Mangel an ÄrztInnen
Im zweiten Teil der Podiumsdiskussion ging es insbesondere um adäquate Maßnahmen gegen einen drohenden Mangel an ÄrztInnen. Für den Präsidenten der Ärztekammer, Dr. Artur Wechselberger, ergebe sich dieser zwar nicht numerisch, da es genügend Studierende gäbe: „Wir wissen aber, dass sich die Medizin verändert. Die Krankheitsbilder werden komplexer. Die angehenden Ärztinnen und Ärzte haben außerdem eine andere Vorstellung von ihrer Work-Life-Balance, als die Generation davor. Außerdem wandern viele in Nachbarländer ab, daher wissen wir, dass es einen Mangel geben wird.“ Da nur rund 30 Prozent der Studierenden der Medizinischen Universität Innsbruck aus Tirol kommen, wurde auch die hohe Bedeutung der heimischen Krankenhausbetreiber in dieser Frage betont. Als Vertreterin der TILAK erläuterte Dr. Alexandra Kofler, dass es wichtig ist, das KPJ und den Turnus attraktiv zu gestalten, um Ärztinnen und Ärzte zum Bleiben zu animieren. „Hier haben wir mit dem neuen Turnus bereits einen guten Start hingelegt. Durch die neuen Logbücher gibt es schon ein Umdenken. Turnusärzte sind nicht die letzten in der Riege, die alles machen, was das Stammpersonal nicht machen möchte. Das ist etwas, was wir auch in Zukunft verstärkt vermitteln wollen.“ Der Studierendenvertreter Phillip Renz beurteilte in diesem Zusammenhang auch das neue KPJ positiv. „Das KPJ als Einführung in die Berufswelt wird bereits sehr gut angenommen. Die Studierenden freuen sich, Verantwortung zu übernehmen.“ Als eine Lösung, MedizinerInnen anzuregen, auch auf das Land zu gehen, sieht Renz die Aufwertung des Faches Allgemeinmedizin. „Das Ansehen des Allgemeinmediziners kann man nur dadurch steigern, dass man ihn zum Facharzt macht.“ In diesem Zusammenhang macht Frau Dr. Karen Pierer, Leiterin der Stabsstelle für Curriculumsentwicklung sowie Prüfungsent und -abwicklung der Medizinischen Universität Innsbruck auf ein innovatives Pilotprojekt in Innsbruck aufmerksam. Gemeinsam mit dem Gemeindeverband soll es ermöglicht werden, dass Studierende im KPJ zukünftig vier Wochen am Land bei einem Allgemeinmediziner bzw. einer Allgemeinmedizinerin hospitieren. Mehr Studierende sollen so den Alltag eines praktischen Mediziners/einer praktischen Medizinerin auf dem Land kennen und schätzen lernen. „Die Universität könnte hier einen starken Beitrag zur Bewusstseinsbildung über den Mangel an ÄrztInnen auf dem Land leisten.“ Dafür müsse allerdings auch die Finanzierung seitens des Landes Tirol gesichert werden.

Problem Finanzierung
Gerade aber in der Finanzierung neuer Projekte im Gesundheitsbereich sieht Landesrat Univ.-Prof. DI Dr. Bernhard Tilg derzeit eine große Herausforderung. „Die politische Realität ist, dass wir im Zeitalter der Umverteilung und der Effizienzsteigerung angekommen sind. Das Land Tirol hat ein Beschluss zur Kostendämpfung im Landeshaushalt gemacht. Dieser Kostendämpfungspfad muss eingehalten werden. Immer neue Schulden auf Kosten der nächsten Generation zu machen ist - im Sinne eines Generationsvertrages - nicht verantwortungsvoll und deshalb abzulehnen.“ Für den Wissenschafts- und Gesundheitslandesrat sei Tirol aber im Vergleich zu anderen Bundesländern Tirol sehr gut aufgestellt. Für ihn heißt daher das Gebot der Stunde, darüber nachzudenken, wie Ressourcen zukünftig noch besser genutzt werden können.

Hintergrundinformation: Harmonisierung der Studienpläne an den Medizinischen Universitäten in Österreich
An einer Angleichung der Curricula wird derzeit an den drei autonomen Medizinischen Universitäten in Innsbruck, Graz und Wien gearbeitet. Ein erster Schritt ist bereits durch die Einigung auf den österreichischen Kompetenzlevelkatalog für ärztliche Fertigkeiten erfolgt. In diesem ist festgeschrieben, was ein Studierender bis zum Antritt der ersten Famulatur, bis zum Beginn des Klinisch-Praktischen Jahres (KPJ) und bis zum Ende des Studiums wissen und können muss. „Wie Studierende diese Fertigkeiten erwerben liegt aber in der didaktischen Kompetenz der einzelnen medizinischen Universitäten“, betont Vizerektor Univ.-Prof. Dr. Norbert Mutz. Österreichweit wird ab 2014/15 der Innsbrucker Ansatz zum KPJ übernommen. Seit dem Wintersemester 2011 ist das 6. Studienjahr an der Medizinischen Universität Innsbruck ein Klinisch-Praktisches Jahr. „Das letzte Studienjahr stellt einen Übergang von der Theorie zur Praxis dar. Es ist eine Phase des angeleiteten Hinführens in den beruflichen Alltag“, erklärt Vizerektor Univ.-Prof. Dr. Norbert Mutz. „Die medizinischen Universitäten möchten bestausgebildete AbsolventInnen und zukünftige Ärztinnen bzw. Ärzte unabhängig von gewählten didaktischen Ansätzen und curricularer Gestaltung in die Berufswelt entlassen. Das heißt gleiches Niveau zu definierten Zeiten, vor allem zum Studienende unabhängig vom Studienort.“
Eine Verkürzung der Mindeststudiendauer für ein Medizinstudium, wie es von der EU-Kommission angedacht wird, ist allerdings für den Vizerektor der Medizinischen Universität Innsbruck derzeit kein Thema. „Es gibt zwar Diskussionen, ob es zu einer Verkürzung der Mindeststudiendauer in den EU-Richtlinien kommen wird. Wir gehen aber davon aus, dass in dieser Angelegenheit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. Zentraler Aspekt in dieser Diskussion sollte die Qualität der ärztlichen Ausbildung sein. Eine Verkürzung der Studiendauer auf fünf Jahre würde zu einer Verdichtung des Curriculums führen.“

(hof)

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