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1)	Struktur des Hsp70-Proteins. Das Peptid B29 ist rot hervorgehoben.

Damit der Körper sich wieder selbst akzeptiert

Hoffnung im Kampf gegen Autoimmunerkankungen: Holländische Wissenschafter haben einen Impfstoff entdeckt, der rheumatoide Arthritis bei Mäusen wirksam bekämpft. Der Impfstoff aktiviert die Selbstheilungskräfte des Immunsystems, um die Entzündung der Gelenke einzudämmen. Die Arbeiten der holländischen Forscher um Willem van Eden von der Universität Utrecht sind ein Beispiel für den erfolgreichen Abschluss des EU-Projekts TOLERAGE.

Autoimmunerkrankungen wie Arteriosklerose oder rheumatoide Arthritis beginnen bereits in jüngeren Jahren, werden aber erst im Alter manifest. Bei diesen Erkrankungen richtet sich das Abwehrsystem des Körpers statt gegen Krankheitserreger gegen körpereigenes Gewebe. Die aggressiven Akteure des Immunsystems sind überaktiv und führen zur Entzündung, während die besänftigenden und beruhigenden Gegenspieler sich nicht durchsetzen können. Das EU-Projekt TOLERAGE hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Gleichgewicht wiederherzustellen und die Immunreaktion im Alter zu normalisieren.

Toleranz statt Selbstzerstörung

Dabei setzen die TOLERAGE-Forscher unter anderem auf die regulatorischen T-Zellen. Ihre Aufgabe  ist, Toleranz zu erzeugen, damit der Körper sich selbst wieder akzeptiert. Die große Herausforderung bei Immuntherapien ist aber, das richtige Maß zu finden: Wird die Abwehrbereitschaft des Immunsystems zu sehr unterdrückt, läßt der Schutz vor Infektionen nach.
Optimal ist, die Immunabwehr nur dort zu schwächen, wo es nötig ist. Das hieße, regulatorische T-Zellen gezielt auf die krankheitsauslösenden Antigene anzusetzen und somit die Ursache des Übels zu beseitigen, ohne andere, schützende, Immunreaktionen zu beeinflussen. Doch leider sind diese Antigene weder bei der rheumatoiden Arthritis noch bei den meisten anderen Autoimmunerkrankungen bekannt. Daher haben die TOLERAGE-Forscher eine Ersatz-Strategie gewählt, die sich als vielversprechender Weg erweist: Wenn man die krankheitsauslösenden Antigene nicht kennt, kann man zumindest entzündungsspezifische Faktoren als Zielstrukturen auswählen, die die Therapie genau an den Ort des Geschehens bringen. Im Rahmen von TOLERAGE richtete sich das Hauptaugenmerk dabei auf eine bestimmte Gruppe von Stress-Proteinen: die Hitzeschock-Proteine. Sie sind an den meisten autoimmunen Entzündungen vor Ort beteiligt, beispielsweise bei der rheumatoiden Arthritis in der Gelenkinnenhaut, sowie bei der Arteriosklerose.

Wissenschaftern um Willem van Eden von der Universität Utrecht ist im Rahmen von TOLERAGE ein großer Schritt vorwärts gelungen. Sie haben sich das Hitzeschockprotein 70 (Hsp70) vorgenommen, und ein Teilstück dieses Proteins ausfindig gemacht, das Peptid B29, das die regulatorischen T-Zellen besonders gut in Fahrt bringt. Dann haben sie Mäuse mit diesem Peptid geimpft. Daraufhin waren die regulatorischen T-Zellen in der Lage, die in den Mäusen erzeugte rheumatoide Arthritis deutlich abzuschwächen und die Entzündung einzudämmen. Die regulatorischen T-Zellen sind dabei ganz gezielt in den entzündeten Gelenken aktiv geworden. Besonders vielversprechend erscheint den Forschern die Impfung über die Nasenschleimhaut.

Wirkstoffe aus Oregano und Thymian

In anderen Arbeiten haben die Holländer zudem gefunden, dass die Verfütterung des Pflanzenwirkstoffs Carvacrol zu einem stärkeren Auftreten von Hsp70 am Entzündungsort führt. Es sind also mehr Zielmoleküle für die regulatorischen T-Zellen vorhanden, was die Therapie noch wirkungsvoller macht. Carvacrol ist Bestandteil natürlicher Kräuter wie Oregano und Thymian. Den TOLERAGE-Wissenschaftern erscheint die Kombination von Hsp-Imfpung mit gleichzeitiger Hsp-Anregung durch Wirkstoffe wie Carvacrol besonders attraktiv.

Auch andere Impfstrategien beispielsweise mit Hitzeschockprotein 60 gegen Arteriosklerose haben in den viereinhalb Jahren Laufzeit von TOLERAGE große Fortschritte gemacht. "Wir haben die gesteckten Ziele übertroffen", betonte Georg Wick bei der Abschlussveranstaltung Ende September in Seefeld, Tirol. Wick ist emeritierter Professor für Pathophysiologie und Immunologie am Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck. Er hat das Projekt wissenschaftlich koordiniert. "Besonders erfreulich war, dass die europäische Union mit TOLERAGE ein mutiges Projekt gefördert hat, das neue wissenschaftliche Wege gegangen ist. Der Erfolg des Projekts mit bisher etwa 70 Publikationen zeigt, dass sich das Vertrauen gelohnt hat."

TOLERAGE hat im 7. Europäischen Rahmenprogramm (FP7) stattgefunden und läuft jetzt aus. Insgesamt standen dem Projekt 10,1 Mio. Euro zur Verfügung. Teilgenommen haben zehn Partnerinstitutionen, unter anderem aus Deutschland, Österreich, der Schweiz, Italien, Frankreich, den Niederlanden und Schweden. Administrativ begleitet wurde das Großprojekt während der gesamten Laufzeit vom Innsbrucker Unternehmen Cemit.

 

Literaturhinweise:
Regulatory T cells that recognize a ubiquitous stress-inducible self-antigen are long-lived suppressors of autoimmune arthritis  M. J. C. van Herwijnen, L. Wieten, R. van der Zee, P. J. van Kooten, J. P. Wagenaar-Hilbers, A. Hoek, I. den Braber, S. M. Anderton, M. Singh, H. D. Meiring, C. A. C. M. van Els, W. van Eden, and F. Broere Proc. Natl. Acad. Sci. USA 2012, 109:14134-9

Heat shock proteins are therapeutic targets in autoimmune diseases and other chronic inflammatory conditions. Keijzer C, Wieten L, van Herwijnen M, van der Zee R, Van Eden W, Broere F. Expert Opin Ther Targets. 2012, 16:849-57

New Book: "Inflammation and Atherosclerosis" http://www.springer.com/biomed/immunology/book/978-3-7091-0337-1

 

Links:
TOLERAGE

(Carola Hanisch, CEMIT)

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