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Was hat die Luftfahrt mit der Medizin gemeinsam? Flugkapitän Härting gab Antworten im Rahmen einer Podiumsdiskussion von ALUMN-I-MED. (Foto: Brezinka)

ALUMN-I-MED diskutierte über Sicherheit im OP

Was hat die Luftfahrt mit der Medizin gemeinsam? Beides sind hochkomplexe, zeitkritische Systeme mit vielen Risiken. Im Rahmen einer Podiumsdiskussion vom AbsolventInnenverein diskutierten zwei Experten über die „Sicherheit im Operationssaal und Spital“. ALUMN-I-MED Präsident em. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Raimund Margreiter skizzierte die Risikofaktoren im Krankenhaus und Flugkapitän Hans Härting gab Einblicke in das Sicherheitssystem der Luftfahrt.

Der Einladung zur Podiumsdiskussion waren neben QualitätsmanagerInnen, zahlreiche KlinikerInnen und Vereinsmitglieder gefolgt. Zu Beginn seines Vortrages zeigte Flugkapitän Hans Härting mit ein paar Beispielen eindrucksvoll, wie leicht sich der Mensch irren kann und wies auch auf die schlechte Fehlerkultur in unseren Breitengraden hin. Zu sagen: „Ich weiß es nicht“, würde im Normalfall als Schwäche und nicht als Bereicherung aufgefasst. Dabei müsse man die Fehlbarkeit des Menschen stets einkalkulieren. 80 Prozent der Fehlerquellen seien nicht technischer Natur, sondern gehen auf den „Risikofaktor Mensch“ zurück.

Sicher „in die Luft gehen“
„Man muss es dem Menschen sehr schwer machen, Fehler zu machen“, sagte Härting, der bei Austrian Airlines als Flugkapitän für den Airbus 320 und als Leiter des Human Factors Training tätig ist. Wesentliche Aufgaben dieses Bereiches sind Flugsicherheit, Security Training und die PilotInnenselektion. In der Luftfahrt gelten im Gegensatz zur Medizin verpflichtende Sicherheitsstandards, die jede Fluglinie einhalten muss. Durch bestmögliche Ausbildung, technische Trainings und vor allem Kommunikationsschulungen und Teamwork könne man aber nicht nur „in der Luft“, sondern auch „am Boden“ für größtmögliche Sicherheit sorgen. Gutes Teamwork, bei dem alle wissen, was sie wann zu tun haben, minimiere die drei größten Fehler: das Vergessen, Verwechseln und Übersehen. So genannte  „Standard operating procedures“ und eine hohe compliance gewährleisten, dass unterschiedliche Personen, Arbeitsabläufe einheitlich durchführen. Dabei müssen Anweisungen und Anleitungen unmissverständlich formuliert sein und schriftliche Anweisungen wiederholt und bestätigt werden. Härting gibt seit 2002 seine Erfahrungen aus dem  Flugverkehr im Rahmen von Seminaren und Projektmanagement auch in der Medizin und Industrie weiter und ist Vorstandsmitglied bei Assekurisk, einem Medical Safety Partner (www.assekurisk.com).

Die Tücken des Operationssaals
Der ehemalige Direktor der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, Pionier der Transplantationsmedizin und nunmehrige Präsident von ALUMN-I-MED widmete sich der Frage: „Wie kann die PatientInnensicherheit im Operationssaal optimiert werden?“ und ließ zunächst mit ein paar Zahlen aus den USA aufhorchen. Jährlich sterben dort 100.000 Menschen an so genannten iatrogenen Ursachen, also auf Grund von Ursachen, die von ÄrztInnen bzw. dem System hervorgerufen werden.  Weitere 100.000 Betroffene infizieren sich in den USA erst im Spital, z. B. mit antibiotikaresistenten Bakterienstämmen (z. B. nosokomiale Infektionen mit MRSA) und nochmals 195.000 PatientInnen versterben an anderen vermeidbaren Fehlern.  Auch Daten aus Deutschland zeigen, dass das Krankenhaus nicht selten neben der Chance auf Genesung auch eine Gefahr für die Gesundheit birgt. „Derartige Daten aus dem Gesundheitsbereich sind für Österreich – aus welchen Gründen auch immer - derzeit nicht verfügbar“, so em. Univ.-Prof. Raimund Margreiter. „Fakt ist, dass man dem Gefahrenpotenzial mit geeigneten Präventivmaßnahmen ,zu Leibe rücken` kann“, erklärt em.Univ.-Prof. Margreiter. OP-Sicherheitschecklisten sind mittlerweile Standard, mit deren Hilfe man die drei größten Katastrophen: falscher Patient/falsche Patientin, falsche Operationsseite & falsches Organ weitgehend ausschalten kann. Auch die moderne Anästhesie bedient sich sorgfältigster Überwachungsprogramme, wobei die Tatsache, dass ein gut ausgebildeter Anästhesist permanent anwesend sei, die wichtigste Komponente für die Sicherheit darstelle. In weiterer Folge widmete sich der renommierte Mediziner einem Thema, das ihn wahrscheinlich sein ganzes Berufsleben lang begleitet hat: der „surgical site infection“ (SSI) und deren Vermeidung. Vorerkrankungen der PatientInnen, wie Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) und Adipositas (Fettleibigkeit) gelten präoperativ als Risikofaktoren für eine Wundinfektion. Während und nach der Operation gibt es ebenfalls zahlreiche Ursachen für eine schlechte Wundheilung, wie beispielsweise Handschuhperforation und unsachgemäße Händedesinfektion oder eine inadäquate Antibiotikaprophylaxe. Auch für die Operationsfeldvorbereitung und die Ausstattung des Operationssaals bzw. -personals gelten strenge Richtlinien zur Vermeidung der gefürchteten peri- und postoperativen Wundinfektion.

Thema Sicherheit bewegt
Im Anschluss an die Impulsreferate folgte eine angeregte Diskussion, bei der auch Faktoren wie das ÄrztInnen-Arbeitszeitgesetz und Nebenbeschäftigungen zur Sprache kam. „Bei Flugkapitänen sei es undenkbar, dass diese in ihrer Freizeit zusätzlich als Pilot tätig sind, da sie ihre Ruhezeiten verpflichtend nachweisen müssen, während Medizinerinnen und Mediziner neben ihrer Tätigkeit im Spital auch noch in freier Praxis tätig sein können. Dies verfälsche die wöchentliche Maximalarbeitszeit und führe zu Übermüdung und Überlastung. Fehlende Expertise und mangelnde Routine ist eine Fehlerquelle, die immerhin ein Drittel ausmache und diese seien durch gute Ausbildung vermeidbar. Unterschiede in den Auswahlverfahren von angehenden MedizinerInnen und Linienpiloten kamen ebenso zur Sprache wie verpflichtende versus freiwillige Simulationszentren. Gefordert sei in diesem Zusammenhang auch die Politik, die Ausbildungsrichtlinien und Sicherheitsstandards in Gesetzen festlegen müsse, die die Sicherheit erhöht, zumal  die Vermeidung von Fehlern auch ein hohes Einsparungspotenzial darstelle und somit volkswirtschaftlich relevant sei. Die Moderation der Podiumsdiskussion übernahm in bewährter Weise ao.Univ.-Prof. Dr. Christoph Brezinka.

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 Ao.Univ.-Prof. Dr. Christoph Brezinka mit dem Vertreter des Sponsors, Dr. Markus Gramann von der Hypo Tirol Bank AG, em. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Raimund Margreiter und Flugkapitän Hans Härting. Foto: MUI. (v. li. n. re.)

Vielfältige Aktivitäten
Der AbsolventInnenverein der Medizinischen Universität Innsbruck wurde 2007 auf Initiative von Gründungsrektor em.Univ.-Prof. Dr. Hans H. Grunicke ins universitäre Leben gerufen und möchte mit seinen vielfältigen Aktivitäten zur Netzwerk- und Imagebildung beitragen. Die Podiumsdiskussionen greifen Themen am Puls der Zeit auf und stellen sie einem breiten Publikum zur Diskussion. Alle Veranstaltungen und Aktivitäten finden Sie hier: https://www.i-med.ac.at/alumn-i-med/.


(P. Paur)

 

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