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Zwei angesehene Preise für Innsbrucker Chirurginnen

Im Rahmen des 62. Chirurgenkongresses der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie in Salzburg wurde eine klinisch-experimentelle Studie zur normothermen Langzeitnierenperfusion von Annemarie Weißenbacher mit dem angesehenen Theodor-Billroth-Preis honoriert. Margot Fodor, ihre Kollegin im organLife-Labor der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie wurde mit dem Wissenschaftspreis ausgezeichnet. Damit gingen erstmals beide Preise nach Innsbruck.

„Er ist wie ein Oscar“, antwortet ein Kollege von Annemarie Weißenbacher, als sie ihn auf die Bedeutung des Theodor-Billroth-Preises anspricht. And the winner is… Annemarie Weißenbacher. Sie wird beinahe verlegen. „Ich persönlich betrachte den Theodor-Billroth Preis als hohe Auszeichnung. Es ist der schönste und älteste Preis, den die Österreichische Gesellschaft für Chirurgie vergibt“, sagt sie. Weisenbacher, die an der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie (Direktor: Dietmar Öfner-Velano) tätig ist, erhielt den Preis für eine translationale Arbeit zur Nierentransplantation, die sie noch während ihres Aufenthalts als Research Fellow an der University of Oxford (2015-2018) durchgeführt hat. Die Studie „Urine recirculation prolongs normothermic kidney perfusion via more optimal metabolic homeostasis – a proteomics study” ist 2020 im renommierten American Journal of Transplantation erschienen.

Im Rahmen der klinisch-experimentellen Untersuchung hat Weißenbacher mit ihrem Team damals nicht-transplantable, als kritisch eingestufte Nieren unter nahezu physiologischen Bedingungen bis zu 24 Stunden lang normotherm perfundiert. Das heißt, die durchbluteten Organe wurden bei einer Temperatur von 37 Grad am Leben erhalten und mit Flüssigkeit durchspült – in einem Teil wurde der Eigenharn zur Volumskontrolle des Perfusates rezirkuliert, in einem anderen Teil wurde das durch die Harnproduktion verlorene Volumen mit Ringer-Lactat ersetzt. Dabei stellte sich heraus, dass das Verfahren der Rezirkulation des Urins jenem, bei dem der Harn mit Ringer-Lactat ersetzt wird, weit überlegen war. „Das war nur bis zu sechs Stunden lang möglich, der arterielle Fluss nahm ab. Die Niere wurde spastisch. Wir haben das nur vier Mal gemacht, weil alle Nieren gestorben sind.“ Denselben Vergleich stellte die Transplantationschirurgin mit gesunden Schweinenieren an – und kam auf dasselbe Ergebnis. „Ich will immer wissen, warum das eine geht und das andere nicht“, gab sie sich damit noch nicht zufrieden. Bei Untersuchungen von regelmäßig entnommenen Gewebsproben mit dem Massenspektrometer zeigte sich: Durch die Urin-Rezirkulation werden weniger schädliche Metaboliten in der Niere abgelagert. Im Gegensatz dazu wurde bei der Perfusion mit Ringer-Lactat das Peptidhormon Angiotensinogen, das bei der Gefäßkontraktion eine wichtige Rolle spielt, hochreguliert.

Urin-Rezirkulation setzt sich durch
Bei den verwendeten Organen handelte es sich ausschließlich um menschliche Nieren, die vorab für eine Transplantation abgelehnt worden waren. „In Großbritannien gibt es eine spezifische Allokation für Organe zur Forschung. In Österreich haben wir eine solche aktive Zustimmung des Spenders für die Forschung nicht. Wir nehmen Nieren hier nur mit der Prämisse zu transplantieren und können ein Organ nicht rein zu Forschungszwecken annehmen. Deswegen sind solche Studien bei uns sehr schwer durchzuführen“, erklärt Weißenbacher. Wenn sich ein Organ allerdings nach dem Eintreffen als nicht-transplantabel erweist und dieses auch sonst kein Zentrum im Eurotransplant-Raum akzeptiert, dürfe es für die Forschung verwendet werden. Bisher habe sie in Innsbruck einmal eine humane Niere perfundiert, als erste in Österreich. „Ich hoffe, dass wir heuer noch vier bis fünf machen können und die Erkenntnisse aus meiner Arbeit umsetzen können“, sagt die Medizinerin, die unlängst die Venia docendi erhielt und das Nierentransplantationsprogramm an der Klinik leitet.

Besonders freut es sie, dass mittlerweile auch ForscherInnen in anderen Zentren die Urin-Rezirkulation durchführen, wie zum Beispiel eine Gruppe in Rotterdam. „Sie haben dort in einer Pilotstudie die Nieren zwei Stunden perfundiert und unsere Rezirkulation angewandt. Alle Organe waren dann in einem guten Zustand, einige wurden sogar transplantiert. Es freut mich sehr, wenn auch andere mit unseren Erkenntnissen erfolgreich sind – das ist lebendige translationale Wissenschaft.“

Nierenmaschine in Entwicklung
Dabei sei die normotherme Perfusion von Nieren per se nichts Neues. Bereits 2011 hat eine klinische Studie in Großbritannien gezeigt, dass schon eine einstündige Perfusion bessere Ergebnisse bringe, als die standardmäßige Lagerung des Organs in der Eisbox. Doch dieses Zeitfenster sei viel zu klein, um die Viabilität (Eignung) eines von vornherein qualitativ eher kritischen Organs für die Transplantation zu messen. „Ziel meiner Studie war es, die Nieren 24 Stunden zu präservieren und zu schauen, wie sie sich entwickeln. Die Chirurgin, der Chirurg hat eine große Verantwortung bei der Auswahl. Denn die Mortalität des Nierenempfängers liegt bei 25 bis 30 Prozent, wenn bis drei Monate nach der Transplantation noch eine Dialyse notwendig ist“, erklärt sie. Gleichzeitig wollte Weißenbacher herausfinden, ob dank der normothermen Perfusion von eher kritischen Spendernieren, „die exzellenten Ein-, Fünf- und Zehnjahres-Überlebensraten“, die mit der Eisbox-Lagerung erzielt werden, noch übertroffen werden können. Denn dann könnten auch mehr PatientInnen transplantiert und von der belastenden und kostenintensiven Dialyse entwöhnt werden.

Ihre Studie ist daher auch im Hinblick auf die Entwicklung einer Langzeitperfusionsmaschine für Nieren – als Pendant zur Leber-Perfusion mit der OrganOx metra-Maschine, die Weißenbacher 2018 aus Oxford nach Innsbruck „mitgebracht“ hat – interessant. Im organLife-Labor (Leiter: Stefan Schneeberger) der Chirurgie sucht Weißenbacher derzeit nach Hebeln, um ein anderes Gerät für eine Langzeitperfusion von mindestens sechs Stunden zu adaptieren.  „Wir möchten etwas Innovatives aufbauen. Es muss einerseits sehr sicher sein und andererseits zeigen, dass damit mehr Nieren utilisiert werden können. Dafür müssen wir nachweisen, dass man mit dem Gerät die Organe gut perfundieren und rekonditionieren kann bis die Operation stattfindet. Nicht zuletzt muss so eine Maschine auch auf dem Markt kompetitiv sein.“

Wissenschaftspreis für klinische Arbeit zur Leberperfusion
Das organLife Labor, sowie die Universitätsklinik für Visceral-Transplantations- und Thoraxchirurgie, sind auch die Arbeitsplätze von Margot Fodor. Sie wurde für eine retrospektive Untersuchung zur normothermen Maschinenperfusion bei Lebertransplantation mit dem diesjährigen Wissenschaftspreis der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie geehrt. „Diese Auszeichnung wird für klinisch relevante Arbeiten im Bereich der Chirurgie verabreicht, die im österreichischen Raum durchgeführt und in einem internationalen Journal publiziert wurden“, schildert Fodor. Im vergangenen Jahr verglich die Medizinerin rückblickend das Outcome von PatientInnen, die einer Lebertransplantationen an der Uniklinik Innsbruck unterzogen wurden – insgesamt 118 PatientInnen, davon 59 mit, und 59 ohne vorheriger normothermer Maschinenperfusion der Leber mit der Perfusionsmaschine OrganOx metra. „Die Kernaussage der Studie ist, dass Organe mit Hilfe der normothermen Maschinenperfusion vor einer Lebertransplantation ohne zusätzlichen Organschaden länger aufbewahrt werden können. Dies spielt natürlich bei komplexen Empfängern, marginalen Spenderorganen, sowie aus logistischen Gründen eine wesentliche Rolle. Postoperativ zeigten sich bei Patientinnen und Patienten nach normothermer Maschinenperfusion auch weniger Gallengangskomplikationen und ein reduzierter stationärer Aufenthalt “, fasst Fodor ihre Erkenntnisse zusammen. Die Studie wurde im British Journal of Surgery veröffentlicht. 

Den Wissenschaftspreis betrachtet sie als wichtige Anerkennung. „Als Medizinerin ist es natürlich erfreulich, wenn man mit der Arbeit und dem Aufwand, den man im klinischen Alltag, aber auch im Forschungsbereich betreibt, einen kleinen Vorteil für Patientinnen und Patienten erreichen kann.“ Sie schätze es daher sehr, Mitglied des Teams im organLife-Labors zu sein und sei auch sehr dankbar dort wissenschaftlich arbeiten zu dürfen. Aktuell forscht Fodor hauptsächlich an der Phänotypisierung von Immunzellen während der Maschinenperfusion.

(19. Juli 2021, Text: T. Mair, Fotos: MUI/D. Bullock, Privat)

Steckbrief:
Annemarie Weißenbacher hat in Innsbruck Humanmedizin studiert und 2013 ihren Facharzt eingereicht. Von 2015 bis 2018 absolvierte sie zunächst den PhD und in der Folge ein Clinical Fellowship in kidney preservation an der University of Oxford. Danach kehrte sie nach Innsbruck zurück, wo sie sich 2020 habilitierte. An der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie leitet sie das Nierentransplantationsprogramm.

Steckbrief:
Die gebürtige Südtirolerin Margot Fodor hat an der Medizinischen Universität Innsbruck Humanmedizin studiert und befindet sich aktuell im dritten Ausbildungsjahr für Allgemeinchirurgie. Parallel absolviert sie den klinischen PhD, bei dem sie ihren wissenschaftlichen Fokus auf die Perfusion von Organen legt.

Theodor-Billroth-Preis:
Der Theodor-Billroth-Preis für die beste wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der klinischen und experimentellen Chirurgie und deren Grenzbereiche wird jedes Jahr von der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie ausgeschrieben. Den Namen trägt der Preis nach einem der bedeutendsten Chirurgen des 19. Jahrhunderts, Christian Albert Theodor Billroth. Er wird allgemein als der Begründer der modernen Bauchchirurgie und Pionier der Kehlkopfchirurgie angesehen. Neben seiner Tätigkeit als Chirurg forschte Billroth auch auf dem Gebiet der Mikrobiologie. Ihm gelang die Entdeckung der Streptokokken im Jahre 1874, als er nach der Ursache von Wundinfektionen forschte.

Links:
- Video mit Annemarie Weißenbacher über ihre Habilitation (Science-Day 2019-2021): https://www.i-med.ac.at/events/science-day-virtuell.html
- Dietmar Öfner-Velano ist Ehrenmitglied der ÖGCH: https://www.i-med.ac.at/mypoint/thema/755255.html
- Österreichische Gesellschaft für Chirurgie: https://oegch.at/
- Uniklinik für Visceral-, Transplantations- und Throaxchirurgie Innsbruck: www.i-med.ac.at/patienten/ukl_transplant-chirurgie.html
- organLife Labor: www.i-med.ac.at/organlife/

Publikationen:
Static cold storage compared to normothermic machine perfusion of the liver and effect on ischemic-type biliary lesions after transplantation: a propensity score matched study; DOI: 1093/bjs/znab118
Urine recirculation prolongs normothermic kidney perfusion via more optimal metabolic homeostasis – a proteomics study DOI: 1111/ajt.16334

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