MUI START: Fünf vielversprechende Projekte von NachwuchsforscherInnen
Noora Tuovinen, Utku Horzum, Lena Horvath, Michael Graber und Felix Julius Krendl haben mit ihren Projektideen die Jury der Medizinischen Universität Innsbruck überzeugt. Ihre Forschungsvorhaben werden mit der MUI-START Förderung unterstützt.
Onkologie – Neurowissenschaften – Genetik, Epigenetik und Genomik – Infektion, Immunität und Transplantation: Das sind die vier großen Forschungsschwerpunkte an der Medizinischen Universität Innsbruck. Dazu gehört auch die Nachwuchsförderung und Unterstützung vielversprechender Studienvorhaben junger WissenschafterInnen. Mit den zahlreichen Preisen, die Rektor Wolfgang Fleischhacker und Vizerektorin Christine Bandtlow im Dezember 2023 überreichen durften, übergaben sie auch die intramurale Forschungsförderung MUI-START in der Höhe von jeweils bis zu 70.000 Euro an fünf junge WissenschafterInnen zur Unterstützung ihrer Projektideen:
Eine Fachjury, die sich aus ProfessorInnen der Medizinischen Universität Innsbruck zusammensetzt, hat aus allen eingereichten Forschungsvorhaben folgende Projekte ausgewählt:
Depressive Störungen haben eine Lebenszeitprävalenz von zehn bis 20 Prozent und sind bei Frauen die dritthäufigste und bei Männern die fünfthäufigste Ursache für ein Leben mit Behinderung. Zwischen zwölf und 55 Prozent der Patienten sprechen unzureichend auf die pharmakologische Behandlung an und gelten deshalb als therapieresistent. Die Elektrokonvulsionstherapie (EKT) ist eine etablierte, sichere und hochwirksame Behandlung der therapieresistenten Depression, wobei die genauen Wirkmechanismen nicht bekannt sind. Etwa 65 bis 85 Prozent der PatientInnen sprechen auf diese Behandlung an. Eine frühzeitige Identifizierung und Behandlung von PatientInnen, die von einer EKT profitieren können, ist notwendig. Ein Neuroimaging-Biomarker-Ansatz kann Informationen über Subtypen der Depression liefern, die auf eine EKT-Behandlung ansprechen. Ziel dieses EKT-MRT-Projektes ist es, prädiktive Biomarker und Marker für das Ansprechen auf eine EKT bei therapieresistenter Depression zu untersuchen. Dies erfolgt mittels Untersuchung multimodaler magnetresonanztomographischer (MRT) Parameter der Hirnmorphometrie, aufgabenbezogener funktioneller MRT-Reaktionen, funktioneller Konnektivität im Ruhezustand und mittels Diffusionsmessungen (strukturelle Konnektivität) in Hirnregionen, die an emotionalen und kognitiven Prozessen beteiligt sind und deren Korrelationen mit klinischen Symptomen vor sowie kurz- und langfristig nach der Behandlung geprüft werden. Die Identifikation von Biomarkern für das Ansprechen auf eine EKT-Behandlung würde es ermöglichen, PatientInnen, die auf die Behandlung ansprechen, frühzeitig zu erkennen und damit das individuelle Leiden zu verringern. Marker für das Ansprechen auf die Behandlung würden überdies helfen, die Pathophysiologie der Depression und die Mechanismen der EKT zu verstehen. Diesbezüglich könnten multimodale MRT-Parameter in bestimmten Hirnregionen und klinische Symptome genauere Biomarker liefern. Im Rahmen des Projektes kooperiert die Neurowissenschafterin Noora Tuovinen mit der Global ECT-MRI Research Collaboration (GEMRIC; https://mmiv.no/gemric/) zur Ermittlung der Wirkmechanismen von EKT mit Hilfe der MRT, mit dem Global ECT-Network (GENET; https://www.genet-ect.org/index.php) zu EKT-Behandlungsdaten und zugehörigen Biosignalen sowie mit dem Team des Molekularbiologen und Neurowissenschafters Alexander Karabatsiakis vom Institut für Psychologie der Universität Innsbruck zu den molekularen und bioenergetischen Wirkungen von EKT auf die mitochondriale Zellatmung.
Im MUI-START Projekt untersucht Utku Horzum die Rolle des Proteinabbaus im Multiplen Myelom. Myelomzellen sind durch einen sehr hohen Proteinumsatz charakterisiert, was wiederum bedeutet, dass sie auf die Unversehrtheit jener Maschinerie angewiesen sind, welche die Proteine abbaut. Eine spezielle Form des Abbaus nennt sich ERAD, wobei hier neugebildete Proteine direkt vom Ort ihrer Synthese zum Abbau geschickt werden. Horzum überprüft die Hypothese, dass durch die Hemmung der ERAD-Maschinerie, Myelomzellen getötet werden könnten. Ziel ist es, eine neue therapeutische Angriffsstruktur für das multiple Myelom zu identifizieren. In diesem MUI-START Projekt kann Horzum auf seine bisherige Arbeit als Postdoc am Institut für Pathophysiologie aufbauen und noch mehr Eigenständigkeit als Forscher gewinnen.
Das Nicht-kleinzellige Bronchialkarzinom (NSCLC) ist eine sehr aggressive Krebserkrankung und weltweit die Hauptursache für krebsbedingte Todesfälle bei Männern und Frauen. Auf zellulärer Ebene zeichnet sich das NSCLC durch eine spezielle Umgebung aus, die das Immunsystem stark beeinflusst und deren Zusammensetzung wichtige Auswirkungen auf die Vorhersage des Krankheitsverlaufs und die Auswahl von Behandlungsmöglichkeiten hat. Eine Subgruppe des NSCLCs zeigt beispielsweise eine hohe Infiltration von neutrophilen Granulozyten, was mit einer schlechten Prognose und reduziertem Ansprechen auf Immuntherapie assoziiert ist. Der Fokus des MUI Start geförderten Projekt liegt nun auf PatientInnen mit plattenepithelialem NSCLC, welche besonders von Tumor-Neutrophilie betroffen sind. Es ist das Ziel, die bisher definierten Populationen neutrophiler Granulozyten im Blut sowie Tumorgewebe dieser PatientInnen genauer zu untersuchen. Verschiedene Biomarker pro-tumoraler Neutrophilen werden im weiteren Schritt auf deren klinische Relevanz, insbesondere im Zusammenhang mit Immuntherapie, getestet.
In dem geförderten Projekt von Michael Graber geht es um die Regeneration des Herzmuskels. Bisher konnte gezeigt werden, dass mechanische Stimulation des Myokards mittels Stoßwellen nach einem Infarkt die Neubildung von Gefäßen anregt, das Herz weniger fibrosiert und damit die Herzfunktion verbessert wird. Auf zellulärer Ebene aktiviert diese mechanische Stimulation den Immunrezeptor TLR3, was wiederum zu einem inflammatorischen Response führt. Dieser Rezeptor spielt bekanntermaßen außerdem eine tragende Rolle in der Transdifferenzierung von Zellen, also dem Switch von einem Zelltypus zu einem anderen. Dem Team an der Innsbrucker Univ.-Klinik für Herzchirurgie ist es gelungen, nur mittels mechanischer Stimulation und Zuführung exogener Wachstumsfaktoren Fibroblasten zu funktionellen, gefäßbildenden Endothelzellen zu transdifferenzieren. In einem in vivo Modell eines Herzinfarkts konnte es außerdem nachweisen, dass sich nach Therapie vermehrt Endothelzellen und somit neue Gefäße im Herzen finden, die aus Fibroblasten entstanden sind. Mithilfe der MUI Start Förderung soll nun der genaue Mechanismus dieses Effekts geklärt werden. An der Herzchirurgie Innsbruck wurden bereits erstmalig PatientInnen im Rahmen der prospektiv, randomisierten CAST-HF Studie mittels Stoßwellenbehandlung am Herzen behandelt. Eine weiterführende Multicenter-Studie ist in Vorbereitung. Ein besseres Verständnis des Wirkmechanismus ist nötig, um die weitere klinische Translation dieser vielversprechenden Therapie voranzutreiben
In dem geförderten Projekt plant ein Team um Felix Krendl von der Univ.-Klinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, mit Hilfe der so genannten normothermen Maschinenperfusion ein möglichst physiologisches ex-vivo Krebsmodell zu etablieren. Dazu werden tumortragende, kranke Lebern verwendet, die während einer Lebertransplantation entnommen und gegen eine gesunde Leber eingetauscht wurden. Die normotherme Maschinenperfusion erlaubt es, Organe über einen längeren Zeitraum außerhalb des menschlichen Körpers unter annähernd physiologischen Bedingungen am Leben zu erhalten. Um den Tumor, seine Microumgebung sowie das angrenzende Lebergewebe umfassend zu beurteilen, verfolgen die ForscherInnen einen multidimensionalen Ansatz. Dazu gehören serielle Biopsien von Tumor und Lebergewebe für Histologie und Immunhistochemie, Einzelzell-RNA-Sequenzierung, hochauflösende Respirometrie zur bioenergetischen Bewertung sowie konfokale Lebendzellmikroskopie und hyperspektrale Bildgebung zur Untersuchung des Tumors und des angrenzenden Lebergewebes. Dieser innovative Ansatz, der modernste Technologie anwendet, überwindet viele der Mängel von Tier- oder anderer 3D-Krebsmodelle wie Organoide, indem er die menschliche Physiologie in ex-situ perfundierten Organen sehr genau widerspiegelt. Das Modell kann auch als Screening-Plattform für Arzneimittel- und Zelltherapien dienen, was in Zukunft zu personalisierten Behandlungsansätzen führen und dazu beitragen kann, den Bedarf an Tierversuchen zu reduzieren. Überdies verspricht es Einblicke in grundlegende Aspekte der Tumorbiologie und ein besseres Verständnis dieser Erkrankung. Auf lange Sicht könnte dieses Projekt einen Schritt näher zu einer Tumortherapie und Organreparatur außerhalb des Körpers mit anschließender Reimplantation des jeweiligen Organs führen.
MUI-START Programm: Weiterführende Information und Einreichungskriterien
https://www.i-med.ac.at/forschung/MUI-START.html
(Innsbruck, 12.2.2024, Text: T. Mair, Bild: MUI/D. Bullock)