Zwischen KMP, KPJ und Kind: Medizin studieren mit Kind
Ein Medizinstudium ist zeitintensiv, und trotzdem ist es für manche Studierende keine Vollzeitbeschäftigung – ganz einfach, weil sie Mutter oder Vater sind. Studieren mit Kind ist eine Herausforderung, die auch an der Med Uni Innsbruck einige Studierende bewältigen. Drei Studentinnen haben uns von ihrem Spagat zwischen Praktika, Famulaturen und straff organisierter Kinderbetreuung erzählt.
„Ein Medizinstudium als Mama? Unmöglich!“ Mit dieser Aussage war Sabine Ganahl öfters konfrontiert, bevor sie 2020 ihr Studium an der Med Uni Innsbruck begann. Und fast hätte es sich die Vorarlbergerin, damals Mutter einer einjährigen Tochter, selbst nicht zugetraut. „Aber ich habe es mir so sehr gewünscht, Ärztin zu werden, dass ich nach dem bestandenen Aufnahmetest zu mir gesagt habe: Diese Chance bekommen nur wenige, probier es einfach!“, blickt sie heute zurück. Schritt für Schritt absolviert sie seither ihr Studium, inzwischen sogar als zweifache Mutter und in Teilzeit als Apothekerin tätig.
Bis zu viermal pro Woche pendelt Sabine Ganahl aus dem Montafon an die Med Uni nach Innsbruck zu den Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht, mit oft zwei Stunden Fahrtzeit pro Richtung. „Ich nütze die Fahrt immer zum Lernen, indem ich mir die aufgezeichneten Vorlesungen anhöre. Man muss einfach jede freie Minute gut ausnützen.“
Yannique Hofner mit ihrem Sohn nach bestandener KPJ-OSCE-Prüfung (Bildquelle: privat)
Organisation und Effizienz sind alles
Sich die Zeit ganz genau einteilen, das ist auch für Angela Kerschl und Yannique Hofner der Knackpunkt. Die beiden sind ebenfalls Studentinnen an der Med Uni Innsbruck und haben je einen Sohn. Hofner hat vor ihrem Studienbeginn 2019 als examinierte Physiotherapeutin gearbeitet, das medizinische Vorwissen hat ihr sehr geholfen, als sie bald darauf Mutter und die Zeit zum Lernen deutlich weniger wurde: „Ich musste immer extrem effizient sein. Wenn ich zwei Stunden frei hatte, dann wusste ich, ich muss die Zeit zum Lernen nutzen.“
Angela Kerschl hat ihren Sohn nach dem 8. Semester bekommen. Die großen Prüfungen hatte sie damals schon geschafft, das Herumjonglieren mit der Kinderbetreuung, vor allem während der Praktika, war aber herausfordernd. „Es wird einem im Studium ja trotzdem nichts geschenkt!“, betont sie. Alle drei Studentinnen sind sich einig, dass es ohne die tatkräftige Unterstützung ihrer Partner, Familien und FreundInnen nicht klappen würde. Außerdem sei die Vernetzung mit anderen Studierenden, die Eltern sind, wichtig, vor allem zur moralischen Unterstützung und für den Austausch über Kindergeld oder Mutterschutz. Über das Thema Studium mit Kind würden allerdings manchmal Halbwahrheiten oder falsche Informationen kursieren, weshalb es wichtig sei, sich bei den offiziellen Stellen abzusichern.
Angela Kerschls Sohn wird im Sommer zwei Jahre alt, er ist auf die Welt gekommen, als sie gerade das 8. Semester ihres Medizinstudiums beendet hatte (Bildquelle: privat)
Klinisch-praktisches Jahr vollständig im Ausland
Yannique Hofner studiert im 10. Semester und wird im Sommer ihr Klinisch-praktisches Jahr beginnen – in Bayern, genau wie Angela Kerschl, die schon mitten drin ist im KPJ. Studierende mit Betreuungspflichten dürfen das KPJ nach Änderung der KPJ-Regelung seit kurzem zur Gänze im Ausland absolvieren, wenn dort ihr eigener Hauptwohnsitz und der des Kindes ist. Weil beide Studentinnen aus Bayern stammen und dort bei der Kinderbetreuung auf die Großeltern zählen können, nutzen sie diese Möglichkeit gerne. „Da war ich unglaublich erleichtert, als ich von dieser Änderung erfahren habe. Hier in Innsbruck hätten wir nicht gewusst, wie wir die Betreuung unseres Sohnes hätten organisieren sollen,“ erzählt Yannique Hofner. Auch die Tatsache, dass Studierende mit Kind ihre Praktikumsplätze stets frühzeitig wählen können, war für alle drei eine große Hilfe. „Ich bekam auch viel Unterstützung durch die Lehrenden und StudienkollegInnen“, erzählt Angela Kerschl.
Wünsche an die Uni gibt es aber auch: „Was es bräuchte, ist eine zentrale Anlaufstelle, eine Person, die über wirklich alle Abläufe rund um das Studium in der Schwangerschaft beziehungsweise mit Kind an der Med Uni Auskunft geben kann“, sagt Yannique Hofner, „und es wäre natürlich schön, wenn es im Kindergarten der Med Uni auch für Kinder von Studierenden einen fixen Platz gäbe. Außerdem würde ich mir wünschen, dass es bei Famulaturen oder im KPJ die Möglichkeit gibt, Ersatzleistungen für versäumte Tage zu erbringen – auch für andere Studierende in Ausnahmesituationen. Dann wäre man nicht so gestresst, wenn das Kind mal länger krank ist.“ Organisatorische und rechtliche Fragen in der Schwangerschaft und mit Kind sowie das oft lange Warten auf Antworten hätten sie sehr viel Zeit und Kraft gekostet, erinnert sich Yannique Hofner. Gleichzeitig ist sie dankbar für die Hilfe, die sie von verschiedenen Stellen an der Uni erhalten hat: „So war es mir möglich, das Studium trotz der gesetzlichen Mutterschutzregeln in Regelstudienzeit zu absolvieren.“
Sezierkurs als Härtetest
Am schwierigsten war für Sabine Ganahl und Yannique Hofner die Zeit des großen Sezierkurses. Lange Tage in der Anatomie mit Anwesenheitspflicht, ein krankes Kind zuhause – Ganahl hätte ihr Studium damals fast abgebrochen, auch für Hofner waren die Wochen die reine Herausforderung. Doch sie hielten durch, und demnächst steht Yannique Hofner vor der Entscheidung, ob sie Gynäkologin oder Allgemeinmedizinerin werden möchte. Angela Kerschl schwankt zwischen Allgemeinmedizin und Psychiatrie, wo sie auch derzeit ihre Diplomarbeit schreibt. „Gerade ist es ziemlich herausfordernd, das KPJ in Vollzeit zu machen, aus dem OP zu stürzen, den Kleinen rechtzeitig aus der Kita abzuholen, ein bisschen Familienzeit zu genießen und nebenbei die Diplomarbeit zu schreiben,“ beschreibt sie ihren stressigen Alltag. Sabine Ganahl bleibt bei ihrer Methode, das Studium Semester für Semester zu absolvieren und nicht weit voraus zu planen – auch wenn sie sich jetzt im 6. Semester traut, sich eine Zukunft als Ärztin an einem Vorarlberger Spital vorzustellen.
Alle drei Studentinnen sagen, dass ein Studium mit Kind(ern) für sie nicht einfach, aber machbar ist. „Rückblickend gesehen war es schon sehr anstrengend. Ich bin stolz darauf, wie ich das geschafft habe“, resümiert Yannique Hofner. „Ich wollte Medizin studieren und ich wollte Mama sein. Und das habe ich dann auch gemacht.“ Sabine Ganahl formuliert es so: „Ich habe gelernt, nicht auf die Leute hören, die sagen, ein Medizinstudium mit Kind geht nicht. Denn man kann es schaffen!“
(Innsbruck, am 24. Juni 2024, Text: P. Volgger, Fotos: privat)
Informationen
Informationen zum Thema Studieren mit Kind bzw. Studieren in der Schwangerschaft gibt es in der Abteilung Lehr- und Studienorganisation.
Auch die Österreichische HochschülerInnenschaft berät Studierende zu den Themen.
Die betriebliche Ferienbetreuung der Med Uni Innsbruck ist auch für Kinder von Studierenden offen. Sofern freie Plätze vorhanden sind, können Kinder von Studierenden außerdem den Betriebskindergarten besuchen. Die Koordinationsstelle Gleichstellung, Frauenförderung und Diversität - Referat für Kinderbetreuung und Vereinbarkeit bietet außerdem auch für Studierende Beratungsgespräche und Hilfe bei der Suche von Betreuungsplätzen an.