Klicken für die Prüfung: Knowhow für Unis vom Westbalkan
Nicht erst seit Corona werden an der Med Uni Innsbruck viele Lehrangebote, aber auch Prüfungsformate computergestützt durchgeführt. Im Rahmen eines EU-Projekts teilt die Medizinische Universität ihr Wissen auf dem Gebiet „blended learning“, Lernplattform „Moodle“ und e-Prüfungen mit Medizinischen Universitäten und Fakultäten vom Westbalkan. Die Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin steht dazu im Austausch mit zehn Unis in Serbien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Montenegro.
Medizinstudierende am Balkan greifen bei Prüfungen zu Stift und Papier, Studierende an der Medizinischen Universität Innsbruck hingegen klicken sich durch die Prüfungen: Hier werden alle großen Gesamtprüfungen seit rund zehn Jahren elektronisch abgelegt. Sasa Rajsic, Anästhesist an der Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, hat in Belgrad Medizin studiert, ist dann nach Innsbruck gekommen und von den Vorteilen der e-Prüfungen überzeugt. „Der Zeitaufwand um Prüfungen abzunehmen ist für Professorinnen und Professoren am Westbalkan enorm. Eine standardisierte elektronische Prüfung ist dem eindeutig vorzuziehen.“
Dem stimmt Dejan Bokonijć, Pädiatrischer Pulmologe und Dekan an der Medizinischen Fakultät Foča an der Universität von Ost-Sarajewo, zu. Er arbeitet mit Rajsic im Rahmen des EU-Projekts „ProBLeMS“ zusammen, das Akronym steht für „Metacognitive Problem-Based Modules in Blended Learning Courses in Medical Sciences“. Darin gibt die Med Uni Innsbruck gemeinsam mit der Universität Belgrad ihr Knowhow an Medizinische Universitäten bzw. Fakultäten in Bosnien und Herzegowina, Montenegro und im Kosovo* weiter. „Auch wir verzeichnen eine steigende Anzahl von Studierenden. Innsbruck hat eine große Expertise darin, große Prüfungen mit vielen Studierenden elektronisch abzuwickeln, ich bin überzeugt davon, dass wir Universitäten am Westbalkan mit diesem System viel Zeit sparen könnten. Objektiver ist es auch“, zeigt sich Bokonjić überzeugt.
BU: Dejan Bokonjić, Pädiatrischer Pulmologe und Dekan der Medizinischen Fakultät Foča an der Universität von Ost-Sarajewo, Copyright: Universität von Ost-Sarajewo
In dem Erasmus-Plus-Projekt geht es nicht nur um e-Prüfungen, sondern auch um computergestütztes Unterrichten, das in Innsbruck über die Lernplattform „Moodle“ abgewickelt wird. „Die Methoden zu unterrichten verändern sich, vor allem seit der Corona-Pandemie“, erklärt Projektinitiator und -leiter Bokonjić. „Fallbasiertes Lernen wird zunehmend wichtiger, die Studierenden können sich dabei mit einzelnen PatientInnengeschichten ausführlich auseinandersetzen und viel lernen. Die jungen Leute mögen es sehr, sich zu beteiligen, interaktiv zu arbeiten und nicht nur im Hörsaal zu sitzen und zuzuhören.“
Austauschtreffen in Innsbruck
BU: Im Februar trafen sich VertreterInnen aller am Projekt „ProBLeMS“ beteiligten Universitäten an der Med Uni Innsbruck, Copyright: Sasa Rajsic
Die einzelnen Projektpartner am Westbalkan haben unterschiedliche Voraussetzungen. Manche Universitäten und Fakultäten nützen schon elektronische Prüfungsformate, andere, vor allem im Kosovo und in Montenegro, müssen erst bei der Anschaffung von Computern, Servern oder Software unterstützt werden. Finanzielle Hilfe beim Ankauf von Equipment ist deshalb ein Aspekt des mit ca. 500.000 Euro dotierten Projekts. Mindestens ebenso wichtig ist die Weitergabe von Knowhow, und hier kommt der Medizinischen Universität Innsbruck eine wichtige Rolle zu. Im Rahmen eines Austauschtreffens sind im Februar 2024 VertreterInnen aller zehn Partneruniversitäten vom Balkan an die Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin gekommen, um sich bei Klinikdirektorin Barbara Sinner und Markus Mittermayr, Robert Breitkopf und Sasa Rajsic über die Erfahrungen in Innsbruck zu informieren. „Internationale Kooperationen sind für beide Seiten wichtig und bringen neue Aspekte nicht nur in der Lehre, sondern auch in der Forschung und Krankenversorgung“, betont Barbara Sinner.
BU: Barbara Sinner, Direktorin Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin Copyright: MUI/Flo Lechner
„Wir haben uns zum Beispiel in Innsbruck angesehen, worauf es bei der Fragestellung bei e-Prüfungen ankommt“, erzählt Projektleiter Bokonjić. „Klarerweise muss man als Lehrender am Anfang Zeit investieren, um Prüfungsfragen zu erarbeiten, die alle Fähigkeiten abdecken, oder im Fall von Online-Kursen, um die Lehrinhalte aufzubereiten. Über all das haben wir uns in Innsbruck ausgetauscht. Doch wenn man einmal die Vorbereitungen gemacht hat, wird es dabei helfen, effizienter zu arbeiten.“
Am Projekt „ProBLeMS“ sind mit hochrangigen Universitätsmitgliedern zahlreiche EntscheidungsträgerInnen involviert: RektorInnen, VizerektorInnen, AbteilungsleiterInnen. „Das heißt, dass hier wirklich schnell etwas weitergebracht werden kann. Tatsächlich sind schon erste Online-Kurse im Testsystem angelaufen“, resümiert Bokonjić. „Wenn wir die Ausbildungsstandards im Studium angleichen, kann das außerdem langfristig dazu führen, dass die Anerkennung eines Medizinstudiums im europäischen Ausland einfacher wird“, verweist Bokonjić auf eine Schwierigkeit bei der Mobilität von ÄrztInnen. Das EU-Projekt mag „Problems“ heißen – Ziel ist aber eindeutig die Problemlösung.
* Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244/1999 des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.
(Innsbruck, 08.07.2024, Text: P. Volgger, Bilder: S. Rajsic, MUI/P. Volgger, MUI/Flo Lechner, Universität von Ost-Sarajewo)