Mit Hirn und mit Technik
Astrid Grams ist seit Mitte Mai Professorin für Neuroradiologie. Die Medizinerin und Wissenschafterin, die seit 2012 an der Medizinischen Universität Innsbruck tätig ist, richtet ihre Forschungsschwerpunkte am technischen Fortschritt aus und befasst sich unter anderem mit KI-gestützter Bildgebung, um die Prognose von PatientInnen besser abschätzen zu können.
„Ich gehe erstmal davon aus, dass etwas nicht stimmt. Dann muss ich mir selber das Gegenteil beweisen, dass da vielleicht doch nichts ist“, sagt Astrid Grams. Das Zitat könnte auch von Gregory House stammen, „Doctor House“. Genau wie der Seriendoktor begibt sie sich gern auf die diagnostische Spurensuche. Neugier und Akribie gehören für Grams untrennbar zum Berufsbild der Radiologin. Jahrelang hat sie mit ihren KollegInnen den Hörsaal mit dem Wahlfachformat „House vs. Prof“ bespielt. Seit Mitte Mai ist Astrid Grams wirklich Prof. Rektor Wolfgang Fleischhacker hat die zweite stellvertretende Leiterin des Departments für Radiologie an der Med Uni Innsbruck zur Professorin für Neuroradiologie berufen.
„Hirn und Technik sind für mich die ideale Kombination“, sagt sie. Das gilt im doppelten Sinn. Einerseits zerbricht sie sich wie beschrieben in der Diagnostik gern den Kopf, andererseits hat sie das Gehirn als Organ schon immer fasziniert. Die Technik bzw. das Interesse an der Radiologie kam dann während des Medizinstudiums in München dazu. Dennoch arbeitete sie danach ein Jahr lang in der Neurochirurgie, bis sie sich für die Facharztausbildung in Radiologie entschied und eine zweijährige Ausbildung in Neuroradiologie anhängte, die sie mit einem europäischen Facharztzertifikat abschloss. Von München zog es die Medizinerin nach Essen. Dort lernte sie Elke Gizewski kennen und ging mit ihr zunächst nach Gießen. Als Gizewski 2012 dann nach Innsbruck berufen wurde, zögerte Grams nicht, mit nach Tirol zu kommen. „So nah an Zuhause war ich schon lange nicht mehr“, sagt die Wissenschafterin, die aus einem Dorf in Oberbayern stammt.
Ihre Forschungsschwerpunkte richtet Grams am Takt des technologischen Fortschritts aus, der gerade in der Radiologie in den vergangenen Jahren ein rasantes Tempo vorgab. Im Zuge ihrer Professur übernimmt sie die Leitung der Neuroimaging Core Facility der Med Uni. Mit dem dazugehörigen 3 Tesla MRT-Gerät werden vor allem Eigenstudien der Neuroradiologie und verwandter Fächern wie der Neurochirurgie, Neurologie und Psychiatrie durchgeführt, die beinhalten, dass das Gehirn, dessen Funktionen und Stoffwechsel oder auch Wirbelsäule und Spinalkanal bildgebend dargestellt werden. „Einer meiner Schwerpunkte sind Neuentwicklungen von Verfahren der Magnetresonanztomografie. Insbesondere mit einer speziellen Form, der Phosphorspektroskopie des Gehirns befasse ich mich schon lange. Damit kann man verschiedene Stoffwechselmetabolite darstellen. Wir haben viele Krankheitsbilder auf diese Weise untersucht: Hirntumore, PatientInnen nach Hirnblutung oder nach Schlaganfall“, schildert sie.
Ein weiterer ihrer Schwerpunkte in der Bildgebung ist die Dual Energy Computertomografie. In diesem Forschungsbereich geht es ihr hauptsächlich um die Prognose, etwa was in gewissen Hirnarealen von Schlaganfall-PatientInnen passieren wird, ob es zu Einblutungen kommt oder ein neuerlicher Schlaganfall droht. Dabei helfen ihr zunehmend Radiomics, Berechnungen, die auf Künstlicher Intelligenz basieren, genauer hinzuschauen: „Bei dieser Untersuchungsmodalität setzt man auf den Bildern bei einer bestimmten Region of Interest einen Kreis und misst die Signalintensitäten. Wo das menschliche Auge nur Grauwerte in bestimmten Hirnarealen abgrenzen kann, bestimmte mittlere Signalintensitäten oder vielleicht minimale und maximale, kann man jetzt mit Radiomics-Features das Signal innerhalb des Areals mit komplizierten mathematischen Berechnungen auswerten. Diese Programme erkennen viel genauer, wie Dichteareale verteilt sind und durch diese Zusatzinformation kann die Prognoseabschätzung verbessert werden“, erklärt die Wissenschafterin, in deren Projekt auch PhD-Studierende der Med Uni und der Uni Innsbruck mitarbeiten.
Als ihren dritten Schwerpunkt, den sie weiter ausbauen möchte, nennt Grams die interventionelle Neuroradiologie. Ihr Ziel ist es, Forschungskooperationen, die sie mit anderen Universitäten in Österreich und in Deutschland eingegangen ist, weiterzuentwickeln und gemeinsame Projekte und Multicenterstudien voranzutreiben. An der Klinik arbeitet Grams eng mit der Neurologie und der Neurochirurgie zusammen. NeuroradiologInnen werden zu Diagnostik und Beratung hinzugezogen. „Wir bieten aber auch therapeutisch einiges an, endovaskuläre Schlaganfall- und Aneurysmabehandlungen, aber auch anderes, wie Schmerztherapien an der Wirbelsäule oder am Becken. Wir behandeln das Liquorverlustsyndrom, wenn Hirnwasser verloren geht“, zählt die Ärztin auf.
Bleibt da noch Zeit für unterhaltsame Doctor House Vorlesungen? Leider nein, obwohl die TV-Serie, die in den 2000er Jahren im Fernsehen lief und die heute viele ihrer StudentInnen nur noch aus dem Hörsaal kennen, in den Augen Grams noch immer eine der besten Medizinserien ist. „Meine Zwillinge sind jetzt sieben und in der ersten Klasse. Da ist abends immer alles mögliche los. Ich setze jetzt mal aus und wenn sie dann alt genug sind, um mitgehen zu können, mache ich es wieder.“ Bis dahin halten ihre KollegInnen sicher die Stellung und Grams, die nach der Geburt ihrer Kinder noch ein MBA-Studium absolvierte, wird mit ihren neuen Aufgaben als Professorin sicher nicht langweilig.
(Innsbruck, 16. Juli. 2024, Text: T. Mair, Foto: J. Gassner)