Nachruf auf em. o. Univ.-Prof. Dr. med. Peter Deetjen (1932 - 2024)
Peter Deetjen wurde 1932 in Berlin geboren. Er studierte Medizin in Münster und Göttingen, wo er 1957 promovierte und 1963 habilitierte. Nach einer Assistenzarztzeit in Göttingen und Hannover und einer Gastprofessur an der State University Buffalo, USA, wurde er 1965 Abteilungsleiter am Physiologischen Institut der Universität München, von wo er im Jahr 1971 zum Ordinarius für Physiologie und zum Vorstand des Instituts für Physiologie und Balneologie der Universität Innsbruck berufen wurde.
Peter Deetjen brachte damals höchst innovative und moderne Techniken der Nierenforschung nach Innsbruck und ließ das Institut in neuem Glanz erstrahlen. Mit früheren Mitarbeitern aus Deutschland und neuen Zugängen aus Österreich war das Institut von Beginn an international ausgerichtet. Vermutlich dem Genius Loci geschuldet, ließ er auch ein Labor für Höhenphysiologie aufbauen. Mehrere weitere Rufe, u.a. nach Zürich und Wien, lehnte er ab und blieb Innsbruck treu. 1975 - 1977 war er Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Innsbruck.
Es würde den Rahmen dieses Nachrufs sprengen, alle Publikationen, Verdienste, Ehrungen, Preise, Auszeichnungen, Mitgliedschaften und Tätigkeiten in Wissenschaft und Lehre aufzulisten. Durch seine bahnbrechenden frühen Arbeiten über den Zusammenhang von Na+ Resorption und O2 Verbrauch sowie die Wirkungsweise des Diuretikums Furosemid wurde er sogar für den Nobel Preis nominiert. Seine führende Rolle in der Physiologie zeigte sich u.a. durch 18 Jahre Herausgeberschaft von Pflüger’s Archiv. Er war Präsident der Gesellschaft für Nephrologie (A/Ch/D), Präsident der Deutschen Physiologischen Gesellschaft und Präsident der Van-Swieten-Gesellschaft. Er war Träger des Ehrenkreuzes für Kunst und Wissenschaft 1. Klasse der Republik Österreich und Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland.
Medizinstudenten beeindruckte Deetjen durch den klaren, logischen und verständlichen Aufbau seiner Vorlesung in geschliffenem Hochdeutsch. Durch Experimente im Hörsaal verstand er zu begeistern und motivieren. Unvergessen bleibt seine Vorlesung der Höhenphysiologie zusammen mit Peter Habeler kurz nach dessen Erstbesteigung des Mount Everest ohne Sauerstoff.
Peter Deetjen leitete und prägte 30 Jahre lang (bis 2001) eines der größten Physiologischen Institute im deutschsprachigen Raum, gemessen an der Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiter. Sein Führungsstil war geprägt von Vertrauen und Respekt. Mikromanagement war ihm zuwider. Selbstverantwortung, Eigeninitiative und Loyalität der Mitarbeiter setzte er an erste Stelle. Er konnte väterlicher Ratgeber sein, wenn man das Gespräch suchte, immer konstruktiv, aber auch nicht mit Kritik sparend. Seinen scharfen Verstand bekam man förmlich zu spüren, wenn er in den wöchentlichen wissenschaftlichen Seminaren „den Finger in die Wunde legte“ - stets nüchtern und sachlich, aber auch mit trockenem Humor, der zum Schmunzeln anregte.
Das von ihm proklamierte „freie Spiel der Kräfte“ schärfte das Bewusstsein, an messbaren Erfolgen selbst hart arbeiten zu müssen, um im schonungslosen wissenschaftlichen Wettbewerb nach oben zu kommen. Daraus entstand eine Dynamik, die Höchstleistungen hervorbrachte. Durch seine kluge und weitsichtige Politik entwickelten sich unter seiner Ägide international gefragte Führungskräfte, gemessen an Rufen auf Lehrstühle und Professuren, u.a. nach Würzburg, Tübingen, Heidelberg, Freiburg, Münster, Ulm, Salzburg, Mailand, Toronto und New Haven (Yale). Eine Bilanz, die ihresgleichen sucht.
Mit Peter Deetjen scheidet nicht nur ein großer Mediziner, Wissenschaftler und Lehrer von dieser Universität, sondern auch eine ganz besondere Führungspersönlichkeit. Er hat zahlreichen Schülern eine erfüllte und sinnstiftende Tätigkeit in Wissenschaft und Lehre ermöglicht, sein Vorbild und seine Denkschule werden noch lange vielerorts weiterleben.
Nachruf von Prof. Dr. Paul Dietl, Ordinarius für Physiologie der Universität Ulm
Paul Dietl war von 1979 bis 2001 mit Unterbrechungen Schüler von Peter Deetjen
Foto: privat