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Jahrhundertealte Verwechselung aufgeklärt: Historischer Räuber „Schinderhannes“ identifiziert

Das Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck war erneut an der Aufklärung eines historischen Falls beteiligt. Ein Team internationaler WissenschafterInnen hat das Skelett des legendären deutschen Räubers Johannes Bückler, „Schinderhannes“ genannt, zweifelsfrei identifiziert. Damit konnte auch eine jahrhundertealte Verwechselung in der Sammlung des Instituts für Anatomie und Zellbiologie der Universität Heidelberg aufgeklärt werden.

Der historische „Kriminalfall“ rund um den als „Schinderhannes“ bekannten Räuberhauptmann Johannes Bückler konnte gelöst werden. Dies ist das Ergebnis einer aufwändigen interdisziplinären Untersuchung, die historische Recherchen mit anthropologischen, radiologischen, isotopischen, genealogischen sowie genetischen Methoden kombiniert hat.

Porträt des Schinderhannes alias Johannes Bückler, Gouache-Malerei von K.M. Ernst, 1803

Das Porträt zeigt den „Schinderhannes“. Gemalt wurde es 1803 vom kurpfälzischen Maler und Grafiker Karl Matthias Ernst. Genetische Analysen ermöglichten nun auch die Bestimmung seiner tatsächlichen Augen-, Haar- und Hautfarbe. Die Daten deuten darauf hin, dass er braune Augen, dunkle Haare und einen eher blassen Hautton hatte. (Foto: Stadtarchiv Mainz BPSP/3894 C)

Porträt von Walther Parson im Labor

Walther Parson, Leiter des Forschungsbereichs Forensic Genomics am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck. (Foto: MUI/D. Bullock)

Der „Schinderhannes“ war einer der berüchtigtsten deutschen Räuber seiner Zeit. Er stahl und mordete vor über 220 Jahren westlich des Rheins, was seiner Beliebtheit in der Bevölkerung allerdings keinen Abbruch tat. Am 21. November 1803 wurde er gemeinsam mit 18 weiteren Verurteilten durch das Fallbeil hingerichtet. Der erste Lehrstuhlinhaber der Anatomie in Heidelberg, Fidelis Ackermann, brachte das Skelett des „Schinderhannes“ gemeinsam mit dem eines weiteren Räubers, „Schwarzer Jonas“ genannt, im Jahr 1805 an sein Institut. Offenbar kam es jedoch zu Beginn des 19. Jahrhunderts, unter Ackermanns Nachfolger Friedrich Tiedemann, zu einer Vertauschung der Sammlungsnummern – und damit auch bei der korrekten Zuordnung der Skelette. Da die Nummern der Knochenmontagen zu Beginn des 19. Jahrhunderts offensichtlich falsch vergeben wurden, ging das tatsächliche Skelett des „Schwarzen Jonas“ im Laufe der Zeit verloren. Möglicherweise wurde es im Glauben, es handle sich um das Skelett des „Schinderhannes“, entwendet oder ausgeborgt und nie zurückgegeben. Durch eine aktuelle wissenschaftliche Arbeit, an der ForscherInnen aus Deutschland, Österreich, Schweden, Portugal und den USA beteiligt waren, konnte allerdings zweifelsfrei festgestellt werden, dass das, noch im Besitz der Universität Heidelberg befindliche Skelett, tatsächlich das des „Schinderhannes“ ist. „Ein 220 Jahre alter Irrtum konnte so aufgeklärt und korrigiert werden“, erklärt Walther Parson, Leiter des Forschungsbereichs Forensic Genomics am Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck und Erstautor der jetzt veröffentlichten Studie.

Neuartige molekulargenetische Methode ermöglichte Aufklärung

Die Gruppe von ExpertInnen wandte sich auf Grund der Expertise in historischen Fällen an das Institut für Gerichtliche Medizin der Medizinischen Universität Innsbruck. Walther Parson und sein Team waren bereits an mehreren historischen Projekten beteiligt, unter anderem an Untersuchungen zur russischen Zarenfamilie Romanow, Wolfgang Amadeus Mozart, Friedrich Schiller oder zuletzt Kaspar Hauser. „Für die Aufklärung solcher historischer Fälle braucht es besonders sensible Methoden“, sagt Parson. Um die Skelette der beiden Räuber in Heidelberg ausstellen zu können, wurden die Knochen entsprechend eingeweicht und behandelt, um sie haltbar zu machen. Der Fachbegriff für diese anatomische Methode heißt Mazeration. Dies führt aber dazu, dass DNA zerstört wird. „Die eindeutige Identifikation von „Schinderhannes“ Skelett wurde durch eine neuartige molekulargenetische Methode ermöglicht, die die Bestimmung von Verwandtschaftsverhältnissen sogar bei Individuen erlaubt, die über fünf Generationen hinweg getrennt sind,“ erklärt Parson. „Der Fall Schinderhannes ist der erste historische Fall, in dem wir diese neue Technologie erfolgreich angewendet haben.“

Interdisziplinäre Herangehensweise

Anhand der umfangreichen wissenschaftlichen Arbeiten ist es zudem gelungen, einen Verwandten des „Schinderhannes“ in fünfter Generation zu identifizieren. Der Abgleich mit der über die mütterliche Linie vererbten mitochondrialen DNA wies darauf hin, dass die Knochenmontage in Heidelberg, die fälschlicherweise dem sogenannten „Schwarzen Jonas“ zugeordnet war, von „Schinderhannes“ stammen könnte. Mit der Einführung einer neuen molekulargenetischen Methode, die die Analyse von nahezu 5.000 Kern-DNA-Markern aus den Knochen ermöglichte, wurde endgültige Sicherheit erreicht. So konnte selbst das, sich über fünf Generationen erstreckende, Verwandtschaftsverhältnis statistisch abgesichert werden. „Die Kombination forensischer, genetischer und historischer Techniken ermöglichte dieses Ergebnis und dient als Modell für künftige Untersuchungen“, erklärt Walther Parson die Bedeutung der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit und damit der Provenienzforschung – also der Geschichte der Herkunft von Exponaten in musealen Sammlungen.

(24.03.2025, Text: B. Hoffmann-Ammann, Fotos: Stadtarchiv Mainz BPSP/3894 C, MUI/D. Bullock)

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