Interdisziplinäres pädiatrisches Training: Gemeinsam lernen für den Ernstfall
Einem zappelnden Kleinkind Blut abnehmen, einem Baby eine Magensonde legen oder einen Säugling reanimieren: Beim Pilotprojekt „Interdisziplinäres pädiatrisches Training“ übten Studierende der Medizin und der Gesundheits- und Krankenpflege gemeinsam Skills und spielten pädiatrische Fälle durch. Die Medizinische Universität Innsbruck und die fh gesundheit haben das Projekt initiiert, um die Interaktion und Kommunikation zwischen den zukünftigen ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen zu verbessern.
8 Uhr morgens, erste Aufgabe des Tages beim Interdisziplinären pädiatrischen Training: Blutabnahme bei einem Kleinkind. „Macht das gleich mal nur mit einer Hand, denn in der Praxis werdet ihr die andere Hand brauchen, um das Kind festzuhalten“, regt der Ausbilder an und rüttelt ordentlich am Übungsmodell, um die Szene möglichst realitätsnah darzustellen. Je drei Studierende der Medizin und der Krankenpflege sind ganz schön gefordert, als sie sich in gemischten Teams an der Aufgabe versuchen. Sie nehmen an einem einwöchigen Pilotprojekt teil, bei dem je 24 Studierende der Gesundheits- und Krankenpflege und der Humanmedizin gemeinsam Fertigkeiten aus der Pädiatrie und eine gute Kommunikation zwischen den Berufsgruppen trainieren. Ziel ist es, dass im Ernstfall jeder Handgriff sitzt und alle wissen, was sie selbst zu tun haben und was die andere Berufsgruppe macht. Das Projekt ist eine Kooperation der Medizinischen Universität Innsbruck und der fh gesundheit, unterstützt vom Ausbildungszentrum West für Gesundheitsberufe (AZW).
Hanna Brugger, Medizinstudentin aus Dornbirn im 10. Semester, möchte Kinderärztin werden und hat die Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu vertiefen, sofort ergriffen und sich gleich angemeldet. Kurz vor der Übung zur Blutabnahme erzählt sie: „Ich selbst kann nicht verstehen warum, aber es gibt schon noch teilweise Vorurteile zwischen Medizin und Pflege. Bei diesem Kurs erlebt man jedenfalls ganz deutlich, wie wichtig die Zusammenarbeit ist.“ Ihr Studienkollege Alex Klapper aus Rankweil ergänzt: „Wir beide sind auch im Team von Notfall4you und der Skills Night, da hat uns das interdisziplinäre pädiatrische Training sofort angesprochen.“
Gegenseitige Wertschätzung als Basis guter Zusammenarbeit
Einen Raum weiter zeigt Sabrina Bock, seit 13 Jahren Krankenpflegerin auf der Kinderintensivstation, wie man einem Kind ein Puls-Oxymeter anlegt und es monitorisiert. Für sie ist ein wertschätzender Umgang zwischen ärztlicher Seite und Pflege das Um und Auf: „Wir sind nicht ‚nur die Pflege‘, Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger sind ein Team und aufeinander angewiesen. Genau das wollen wir in diesem Kurs vermitteln.“ Mit ihr unterweist Alexander Tilg, Assistenzarzt auf der Univ.-Klinik für Pädiatrie I, die Studierenden und betont ebenso, wie wichtig eine gute Kommunikation und Zusammenarbeit zwischen den Berufsgruppen ist – genau deshalb engagieren sich beide für das Projekt. Sie ergänzen: „Hier lernen die beiden Gruppen auch voneinander. Für Pflegestudierende kann es interessant sein, auch mal selbst eine ärztliche Tätigkeit auszuprobieren, bei der sie ansonsten nur assistieren, und die Medizinstudierenden lernen von den Pflegestudierenden beispielsweise das sterile Anreichen.“
Interdisziplinäre Zusammenarbeit als Schlüssel
Bei den Medizinstudierenden waren die 24 Plätze bald ausgebucht, die Warteliste lang. „Allein das zeigt das große Interesse am Thema“, sagt Kathrin Wenzl vom Skills Lab der Med Uni Innsbruck, eine der OrganisatorInnen des Pilotprojekts. Benjamin Hetzer, ärztlicher Leiter des Skills Lab, ergänzt: „Uns liegt die interprofessionelle Zusammenarbeit sehr am Herzen. Wir möchten das Zusammenspiel von Pflege und Ärztinnen und Ärzten erleichtern, dazu gehört es auch, die jeweils andere Sicht nachvollziehen zu können. Es geht darum, einmal in die jeweils andere Rolle zu schlüpfen. So sollen Hürden zwischen den Berufsgruppen gar nicht erst entstehen oder abgebaut werden.“
Benjamin Hetzer, ärztlicher Leiter des Skills Lab, übt mit den TeilnehmerInnen eine Lumbalpunktion.
Die Aufgaben der jeweils anderen Berufsgruppe kennenzulernen, darum geht es zeitgleich auch in den Räumen der Fachhochschule fh gesundheit. Dort steht beispielsweise das Legen einer Magensonde auf dem Programm. „Im Klinikalltag ordnet so etwas der Arzt oder die Ärztin an, die Pflege führt es durch. Bei dem Training können alle Studierenden probieren, wie es gemacht wird – so wächst das Verständnis füreinander“, erklärt Shannon Seeholzer. Sie ist in der Lehre und Forschung am FH-Bachelor-Studiengang Gesundheits- und Krankenpflege der fh gesundheit tätig und war maßgeblich an der Organisation des Interdisziplinären pädiatrischen Trainings beteiligt. Ihr Ziel ist es, Hierarchien im Krankenhaus entgegenzuwirken: „Wenn ich als Pflegerin um 3 Uhr morgens den Arzt oder die Ärztin in Bereitschaft rufen muss, dann ist es immer angenehm, wenn eine gute Kommunikationsbasis vorhanden ist,“ erzählt Seeholzer von ihren Erfahrungen, die sie an den Nachwuchs weitergeben will.
Die Studierenden Nach einer theoretischen Einführung werden zwei Vormittage lang in gemischten Gruppen Basics geübt. Es folgen Fallbeispiele, die gemeinsam durchgespielt werden. (Bildquelle: fh gesundheit)
„Für uns ist es eine spannende Woche, in der wir viele Skills intensiv üben,“ erzählen die drei Medizinstudentinnen Anna Ruepp, Jana Zschorn und Anouk Haffner während einer Pause. „Besonders interessant war es auch, ein Übergabegespräche zu üben.“ Auch Elisabeth Meisinger, Christiane Klotz und Natalie Ladurner, alle drei Studentinnen der Gesundheits- und Krankenpflege im 4. Semester, schätzen das gemeinsame Training: „Man sieht, dass Pflege und ärztliche Seite im gleichen Boot sitzen“, finden die angehenden Gesundheit- und Krankenpflegerinnen. „Wir können uns jetzt besser in die anderen hineinversetzen. Sonst hat man einfach wenig Kontakt zu den Leuten von der Medizin Uni.“ In den Pausen während der Projekttage haben sich die drei nun mit Medizinstudierenden ausgetauscht und festgestellt: „Wir machen uns dieselben Gedanken vor dem Berufseinstieg.“ Wenn eine Aufgabe im späteren Beruf dann lauten sollte, einem kleinen Kind Blut abzunehmen, sind die AbsolventInnen des interdisziplinären pädiatrischen Training darauf vorbereitet: Die angehenden ÄrztInnen und KrankenpflegerInnen wissen, worauf es in der interprofessionellen Kommunikation und Interaktion und bei der Arbeit mit den kleinen PatientInnen ankommt.
(31.03.2025, Text: P. Volgger, Bilder: MUI/P. Volgger, D. Bullock, fh gesundheit)
Video:
Interdisziplinäres Training Gesundheits- und Krankenpflege und Medizin | fh gesundheit X MUI