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Interkulturelles Forschungsprojekt: Lebensqualität von KrebspatientInnen in der DR Kongo und in Europa

Wie (unterschiedlich) bewerten KrebspatientInnen im Kongo und in Europa ihre gesundheitsbezogene Lebensqualität? Dieser Frage geht eine internationale Hochschulkooperation der Univ.-Klinik für Psychiatrie II und der École de Santé Publique in Lubumbashi in der Demokratischen Republik Kongo nach. Auch am Aufbau eines Krebsregisters für den Kongo wird dabei gemeinsam gearbeitet. Vor kurzem war der kongolesische Public-Health-Experte und Projektpartner Albert M. Tambwe zu Besuch in Innsbruck.

 „Wenn Menschen im Kongo die Diagnose Krebs bekommen, fragen sie sich oft: ‚Bin ich schuld an meiner Krankheit? “ erklärt Albert M. Tambwe, Professor für Public Health an der École de Santé Publique in Lubumbashi. Die Millionenstadt liegt im Süden der Demokratischen Republik Kongo. „Kongolesische Betroffene sehen ihre Krankheit oft in einem religiös-spirituellen Kontext“, so Tambwe.  Sie würden sich außerdem häufig als Belastung für ihre Familie sehen, auch wegen der finanziellen Kosten der Behandlung. Dadurch werde eine Krebserkrankung selbst bei denselben onkologischen und psychologischen Umständen unter Umständen, abhängig vom kulturellen Kontext, anders erlebt als in Europa, so Tambwe.

Die PatientInnenperspektive auf medizinische Therapien wird an der Medizinischen Universität Innsbruck schon lange erforscht, das Stichwort hierzu ist „patient-reported outcomes“ (PRO). Dafür werden standardisiert Informationen über den subjektiven Gesundheitszustand von PatientInnen erhoben, unter Einbeziehung von Krankheitssymptomen und Behandlungsnebenwirkungen. „Aus Europa liegen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität von onkologischen PatientInnen sehr viele Daten vor“, erklärt Johannes Giesinger von der Univ.-Klinik für Psychiatrie II. In Subsahara-Afrika gebe es zu dem Thema bisher aber kaum Untersuchungen. 

Personen sitzen bei einer Konferenz auf einer Bühne

Im Dezember war Micha Pilz (4.v.r.) auf Austauschbesuch in Lubumbashi und stellte auf einer Konferenz erste Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt vor

 „Mit einem interkulturellen Forschungsprojekt wollen wir herausfinden, welche Symptome onkologische Patientinnen und Patienten in Lubumbashi beschreiben, warum spezifische Symptome klinisch relevant sind und ob es diesbezüglich Unterschiede zwischen Europa und der Demokratischen Republik Kongo gibt “, erklärt Giesinger. Er leitet das seit September 2024 laufende Projekt „Cross-cultural investigation of symptoms and functional health of cancer patients in Europe and in the Democratic Republic of the Congo“, das von der österreichischen Agentur für Bildung und Internationalisierung gefördert wird. Für den persönlichen Austausch ist Micha Pilz, Mitglied der Health Outcomes Research Unit der Univ.-Klinik für Psychiatrie II und Projektmitarbeiter, in den Kongo gereist, im März 2025 ist Albert M. Tambwe im Gegenzug nach Innsbruck gekommen.

Die soziale Dimension von Krebs 

„Erste Ergebnisse zeigen uns, dass es bei der Beurteilung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität in Europa und im Kongo viele Ähnlichkeiten gibt, aber dass die soziale Dimension von Krebs im Kongo wohl stärker wahrgenommen wird“, erklärt Pilz, „die Patientinnen und Patienten im Kongo fühlen sich öfter sozial isoliert.“ Albert M. Tambwe erklärt das dadurch, dass Krebs im Kongo ein Stigma sein könne. Projektleiter Giesinger betont allerdings auch, dass sich der Umgang mit einer Krebserkrankung auch in Europa in den letzten Jahrzehnten verändert habe: Mittlerweile werde viel offener über eine Krebserkrankung gesprochen, wobei dieser offene Umgang in West- und Mitteleuropa noch stärker ausgeprägt sei als in Südeuropa. „Es gibt also auch innerhalb Europas kulturelle Unterschiede. Mit den Daten der kongolesischen PatientInnen können wir nun auch einen interkulturellen Vergleich der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von KrebspatientInnen in Lubumbashi und Europa durchführen.“ 

Internationale Ergebnisse für mehr Aussagekraft

Katharina Hüfner, Direktorin der Univ.-Klinik für Psychiatrie II, ergänzt: „Im Idealfall haben Forschungsergebnisse den Anspruch, weltweit gültig zu sein. Wenn Wissenschaft international ist, ist sie aussagekräftiger.“ Essenziell für eine internationale Hochschulkooperation sei der persönliche Austausch, sind sich alle Beteiligten einig, nur so verstehe man die tatsächlichen Gegebenheiten und den Work-Flow im jeweils anderen Land. Die Datenerhebung ist bereits abgeschlossen, rund 100 kongolesische KrebspatientInnen wurden mittels Fragebögen auf Französisch und Suaheli befragt. Zusätzlich sieht das interkulturelle Forschungsprojekt Interviews mit medizinischem Personal im Kongo vor. „Bei dem Treffen in Innsbruck wurde auch die technische Auswertung der Daten besprochen, jetzt machen wir uns auf die Suche nach Kliniken in Lubumbashi, mit denen wir zukünftig verstärkt zusammenarbeiten werden“, erklärt Pilz. 

Krebsregister im Aufbau

„Wir möchten in unserer Heimat auch Pioniere sein“, betont Albert M. Tambwe. „Im Kongo soll nämlich ein nationales Krebsregister entstehen. Der Zeitpunkt für unser Forschungsprojekt ist deshalb ideal.“ Lag bisher der Schwerpunkt der medizinischen Forschung auf tropischen Krankheiten, bestehe jetzt in vielen afrikanischen Ländern großes Interesse an Prävention und Früherkennung von Krebs – bedingt durch die demografische Entwicklung. Auch am Aufbau des Krebsregisters wird im Rahmen der interkulturellen Forschungskooperation in Innsbruck und Lubumbashi gemeinsam gearbeitet. Außerdem könnten zukünftig im Kongo die Behandlungskosten einer Krebsbehandlung nicht mehr privat zu zahlen sein, so Tambwe. Es seien nicht zuletzt die hohen Summen, die für Diagnose und Therapie anfallen, die zum Stigma der Krankheit beitragen würden. Wie das wiederum die gesundheitsbezogene Lebensqualität beeinflusst, wird im Rahmen des interkontinentalen Projekts noch bis August 2026 erforscht.

(Innsbruck, 30.04.2025, Text: P. Volgger, Bilder: MUI/D. Bullock, École de Santé Publique Lubumbashi)

Link zur Forschungskooperation:
Cross-cultural investigation of symptoms and functional health of cancer patients in Europe and in the Democratic Republic of the Congo

 

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