Lehre mit Fingerspitzengefühl – innovatives Gynäkologisches Praktikum
Praxisnahes Lernen im hochsensiblen Fach Gynäkologie und Geburtshilfe ermöglichen und gleichzeitig die Intimität der Patientinnen wahren: Das gelingt dem Gynäkologischen Praktikum an der Med Uni Innsbruck, das 2024 mit dem Staatspreis Ars Docendi ausgezeichnet wurde. Jedes Jahr absolvieren etwa 370 Studierende das Lehrangebot, das Training in einem Skills Lab mit anschaulichem Unterricht auf der Station verbindet.
Konzentriert prüft eine Studentin am Geburtssimulator, wie weit der Muttermund geöffnet ist. Assistenzärztin Adriana Wördehoff zeigt ihr, worauf sie achten muss und erinnert sie daran, stets mit der „Patientin“ zu sprechen. Andere Studierende im Gynäkologischen Lehrzentrum führen währenddessen einen Ultraschall am Modell eines Uterus mit Plazenta durch. Unter Anleitung von Assistenzart Christoph Ebner lernen sie, worauf es bei der wichtigen Untersuchung in der 20. Schwangerschaftswoche ankommt.
„An diesen Modellen lernen Studierende viel in kurzer Zeit“, ist Alexandra Ciresa-König, geschäftsführende Oberärztin der Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, überzeugt. Mit der „Taskforce Praktikum und Lehre“ hat sie 2022 das Gynäkologische Praktikum für die Studierenden der Humanmedizin an der Med Uni Innsbruck umgekrempelt. Auch Wördehoff und Ebner sind Teil dieses Teams. „Unser Fachbereich ist hochsensibel, dementsprechend stehen wir in der Lehre vor der Herausforderung, die Privatsphäre der Patientinnen zu schützen und trotzdem anschaulichen Unterricht anzubieten“, erläutern die drei. „In der Gynäkologie geht es um Schmerzen, Scham und Intimität – die Patientin darf kein Übungsobjekt sein“, ergänzt Ciresa-König. Lange sei das Gynäkologische Praktikum daher eher Frontalunterricht gewesen – und weder bei Lehrenden noch Studierenden beliebt.
„Wir haben dann ein eigenes ‚Skills Lab‘ eingerichtet, wo die Studierenden an Modellen praktische Fertigkeiten üben können“, erzählt Ciresa-König. In drei Räumen trainiert der medizinische Nachwuchs zum Beispiel Bauchspiegelungen oder lernt, wie vaginale Abstriche genommen werden. Ein Raum ist für den Unterricht in Geburtshilfe eingerichtet – hier können auch Notfälle wie Saugglockengeburten simuliert werden. Zusätzlich beobachten Studierende während des Praktikums eine Operation, führen Patient:innengespräche auf der Station und analysieren die Fälle in Kleingruppen, bevor sie diese präsentieren.

Assisenzarzt Christoph Ebner: „Durch diese Form des Praktikums können alle Studierenden dasselbe lernen und üben, unabhängig davon, welche Patientinnen in die Ambulanz kommen.“
Auch Clara Daul, inzwischen Medizinstudentin im Klinisch-praktischen Jahr, hat dieses Praktikum absolviert. „Der Unterricht im Lehrzentrum war sehr anschaulich und von der Station konnte ich handfestes Wissen mitnehmen: Wir durften bei einem Neugeborenen den Puls tasten, wann hat man schon einmal diese Gelegenheit?“, erzählt die 25-Jährige. „Wir konnten auch allein ein Gespräch mit einer Patientin führen, die gerade entbunden hatte, nachdem uns eine Ärztin darauf vorbereitet hat.“
Rund 370 Studierende der Humanmedizin absolvieren jährlich das Pflichtpraktikum für je eine Woche im 9. und 10. Semester. „Es war abwechslungsreich und interaktiv“, erinnert sich Student Florian Goldbrunner an seine Praktikumstage im letzten Jahr. „Die Patientinnen auf der Station waren sehr offen für Gespräche mit uns Studierenden. Im Skills Lab gab es genügend Zeit, jede Standarduntersuchung zu üben, unsere Lehrende war immer für Fragen da,“ so der 28-jährige Münchner. Er hätte sich nur gewünscht, seinen klinischen Fall direkt im Anschluss nach dem Patientinnengespräch mit der Lehrenden nachzubesprechen.
Kommunikation als Schlüssel
„Respektvollen und sensiblen Umgang mit den Patientinnen vorleben und üben, das ist ein Kernelement unseres Praktikums“, sagt Christoph Ebner, einer der 28 Lehrenden im Gynäkologischen Praktikum. „Es war anfangs auch für mich seltsam, eine Puppe, die nur aus dem Unterkörper besteht, zu begrüßen und ihr den Ablauf der Untersuchung zu erklären“, erzählt der Assistenzarzt. „Aber der Umgang mit den Patientinnen sowie das korrekte Vokabular müssen geübt werden, deshalb legen wir Wert darauf, dass die Studierenden das trainieren.“ „Gute Kommunikation ist die Voraussetzung für eine angstfreie gynäkologische Untersuchung“, fügt seine Kollegin Wördehoff hinzu.
Mit Staatspreis Ars Docendi ausgezeichnet
Im Herbst 2024 erhielt die „Task Force Praktikum und Lehre“ der Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe für das neu konzipierte Praktikum den österreichischen Staatspreis Ars Docendi.
Das neu konzipierte Praktikum erhielt im September 2024 den Staatspreis für exzellente Lehre, Ars Docendi. Ausgezeichnet in der Kategorie „Qualitätsverbesserung von Lehre und Studierbarkeit“ wurden Alexandra Ciresa-König, Mara Mantovan, Christoph Ebner, Katharina Knoll und Adriana Wördehoff.
Bei der Ausbildungsevaluierung 2025 der Österreichischen Ärztekammer erhielt die Univ.-klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe ebenfalls sehr gute Bewertungen für die Facharztausbildung.
Das Team der Univ.-Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe bei der Verleihung des Staatspreises „Ars Docendi“ im Herbst 2024: v.l.: Alexandra Ciresa-König, Christoph Ebner, Adriana Wördehoff und Mara Mantovan. Nicht in Wien anwesend, aber digital dabei: Katharina Knoll
„Das war eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit und das Geheimnis hinter einem solchen Angebot ist die Motivation der Lehrenden“, ist Ciresa-König überzeugt. „Der Staatspreis verdeutlichte aber auch noch einmal innerhalb der Klinik, welch großen Stellenwert die Lehre hat“, so Ciresa-König. „Ein gutes Praktikum weckt Interesse bei engagierten Studierenden, die dann vielleicht im Klinisch-praktischen Jahr und für die Facharztausbildung wieder zu uns in die Gynäkologie kommen.“
In diesem Sinne wird an ihrer Klinik der Dienst- und OP-Plan auf das Praktikum abgestimmt. Bei den täglichen Impulsreferaten, im Lehrzentrum, im Operationssaal und auf der Station unterrichten so nach Möglichkeit stets dieselben Lehrenden ihre Kleingruppe. „In dieser Woche kann man sich gut aufeinander einstellen“, findet Assistenzärztin Wördehoff, „und wenn sich Studierende am Ende persönlich für das Praktikum bedanken, ist das für mich eine große Motivation, weiterhin Zeit und Energie in die Lehre zu investieren.“

Insgesamt wurden drei Räume eingerichtet, in denen die Studierenden gynäkologische Skills üben können.
Das Praktikum wird laufend evaluiert und weiterentwickelt, geplant ist etwa, dass die Studierenden der gynäkologischen Operation nicht mehr im OP-Saal, sondern via Videoübertragung verfolgen, erzählen Ciresa-König und Ebner. Denn gute Lehre und ihre Weiterentwicklung liegt nicht nur ihnen, als ehemalige Studierendenvertreter:innen, am Herzen, sondern allen Lehrenden an der Univ.-klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe.
(Innsbruck, 15.12.2025, Text: P. Volgger, Bilder: MUI/D. Bullock, privat)
