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Höhere Chancen für Unterkühlungsopfer

Unterkühlung des menschlichen Körpers führt ab einer bestimmten Temperatur zum Kreislaufstillstand. Ob Folge eines Unfalls oder kontrolliert und gewünscht bei Herzoperationen eingesetzt, in beiden Fällen müssen die Patientinnen und Patienten wieder entsprechend "aufgewärmt" werden. An der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie der Medizinischen Universität kommt dabei seit Jahren eine spezielle Methode zum Einsatz, deren Vorteile nun auch in einer Studie belegt wurden.

Unterkühlungsunfälle als Folge einer Verschüttung durch eine Lawine, den Einbruch in eine Gletscherspalte oder aber das Ertrinken in kaltem Wasser, sind in Tirol vergleichsweise häufig. Die Innsbrucker Klinik ist daher weltweit führend auf dem Gebiet der Erforschung der Unterkühlung (Hypothermie). Normalerweise kommt es beim Absinken der Körperkerntemperatur unter 30°C zur zunehmenden Kreislaufinstabilität und ab einer Körperkerntemperatur von ca. 28°C tritt bei entsprechenden PatientInnen ein völliger Kreislaufstillstand ein. Tritt nun im Rahmen eines derartigen Hypothermieunfalles der Kreislaufstillstand unterhalb einer Körperkerntemperatur von 30°C ein, besteht eine gewisse Chance den Kreislaufstillstandes wieder aufzuheben, da die Unterkühlung den Körper in gewisser Weise schützt: Eine Reduktion der Körperkerntemperatur um 1 Grad Celsius bewirkt auch einen Abfall des Sauerstoffbedarfs der Körperzellen um 5 Prozent. Dies ist besonders wichtig bei Herzmuskel- und Gehirnzellen, da ein Sauerstoffmangel hier normalerweise sehr schnell zu irreversiblen Schäden führt.

Künstliche Unterkühlung bei Operationen

Das therapeutische Prinzip der Hypothermie wird routinemäßig bei den meisten Herzoperationen an der Herz-Lungenmaschine („Extrakorporale Zirkulation“) eingesetzt. Die meisten Operationen am offenen Herzen werden unter moderater Hypothermie von 28 bis 32°C durchgeführt, bei Operationen an der Körperschlagader wird der Patient üblicherweise an der Herz-Lungen-Maschine auf 18 bis 25°C abgekühlt und die Aorta im so genannten hypothermen Kreislaufstillstand ausgetauscht. Die Erfahrungen mit diesem reversiblen Kreislaufstillstandes unter dem schützenden Einfluss der Hypothermie in der Herzchirurgie wurde an der Universitätsklinik Innsbruck auch bei der Wiederbelebung von Opfern bei Hypothermieunfällen mittels Herz-Lungenmaschine (HLM) eingesetzt. Hierbei werden die PatientInnen nach ihrer Bergung unter mechanischer Reanimation an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Dies geschieht meist über die Leistengefäße, der Brustkorb muss in den meisten Fällen nicht geöffnet werden. Die PatientInnen werden an der Maschine stabilisiert und das über die Herz-Lungenmaschine zirkulierende Blut wird langsam auf normale Körpertemperatur erwärmt. Dieser Vorgang dauert ungefähr 30 bis 60 Minuten. Ab einer Körperkerntemperatur von 26 - 28°C wird dann mit der Defibrillation begonnen, es wird also versucht mittels Elektroschock eine Zirkulation und eine eigene Herzaktivität wieder herzustellen.

Neues Verfahren

Die extrakorporale Zirkulation (Herz-Lungen-Maschine) stellt bisher das Standardverfahren für die Aufwärmung und Wiederbelebung von Patienten mit Herz-Kreislaufstillstand aufgrund von Unterkühlung dar. An der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie der Medizinischen Universität Innsbruck unter der Leitung von Prof. Günther Laufer wurde in den letzten Jahren zunehmend die extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zur Wiederbelebung derartiger Hypothermieopfer verwendet. Die ECMO, eine Art Mini-Herz-Lungenmaschine, jedoch mit einer Kreiselpumpe und nicht wie bei der Herz-Lungenmaschine mit einer Rollerpumpe, zeigt für diesen Einsatz einige Vorteile, die nun im Rahmen der weltweit größten Studie auf dem Gebiet der Hypothermieforschung, nachgewiesen werden konnten und die in der aktuellen Ausgabe des Fachjornals „The Journal of Thoracic and Cardiovascular Sugery“ veröffentlicht wurden: Im Gegensatz zur Herz-Lungenmaschine muss die Kreislaufunterstützung durch EMCO nicht auf wenige Stunden begrenzt werden, um eine Hämolyse, den massiven Zerfall von Blutzellen, zu verhindern und der wesentlich geringeren Aktivierung von Entzündungsmediatoren mit konsekutivem vascular leak (Gefäßleck) zu begegnen. Patientinnen und Patienten können bei instabilen Kreislaufverhältnissen sogar mehrere Tage durch ECMO unterstützt werden. Das ist besonders wichtig, weil HypothermiepatientInnen üblicherweise im Rahmen der Aufwärmung ein schweres Reperfusionslungenödem (Lungenödem, welches durch eine längere Minder- und Nichtdurchblutung der Lunge, z.B. im Rahmen der Lungentransplantation oder auch bei Kreislaufstillstand entsteht) sowie eine schwere diastolische Funktionseinschränkung des Herzens aufweisen und daher eine längerfristige externe Kreislaufunterstützung benötigen.

Studie belegt Vorteile

Die Grundlage für diese Studie bildet eine Dissertation von Dr. Annemarie Weißenbacher, die an der Klinischen Abteilung für Herzchirurgie durchgeführt wurde und in der die Daten hypothermer Patienten der letzten knapp 25 Jahre retrospektiv aufgearbeitet wurden („Die akzidentelle Hypothermie. Ein systematischer Vergleich verschiedener extrakorporaler Reanimationstechniken“ von Annemarie Weißenbacher, 2006). In der Studie selbst konnte ein Team rund um Prof. Elfriede Ruttmann anhand von 59 Hypothermieopfern mit Herz-Kreislaufstillstand zeigen, dass der Einsatz der ECMO zu einem signifikanten Überlebensvorteil für Hypothermieopfer geführt hat. Die ECMO als Kreislaufunterstützung erhöht die Wahrscheinlichkeit, einen Hypothermieunfall zu überleben, um mehr als das Sechsfache. Zwar konnte bei ca. 50% aller Opfer (sowohl mit HLM als auch mit ECMO behandelt) die Wiederherstellung einer selbstständigen Zirkulation erreicht werden, jedoch zeigte sich in der ECMO Gruppe ein signifikanter Überlebensvorteil, da die Patienten bis zur endgültigen Stabilisierung des Kreislaufs an der ECMO-Kreislaufunterstützung verbleiben konnten. Die Ergebnisse dieser Innsbrucker Studie verändern nun ganz maßgeblich die internationalen Richtlinien zur Wiederbelebung von unterkühlten Patientinnen und Patienten.

Ein Beitrag über diese Studie erscheint auch in der neuen Life Science-Beilage, die der heutigen Ausgabe der Tageszeitung DIE PRESSE beigelegt ist. Die Life Science-Beilage ist ein Gemeinschaftsprodukt der PRESSE und der Medizinischen Universitäten Innsbruck und Graz sowie der Universität für Bodenkultur in Wien.