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Bipolare Erkrankung: Krankheitsbild weiter fassen

Als manisch-depressive Krankheit ist die Bipolare Störung im Volksmund bekannt. Im vergangenen Jahrzehnt hat sich die klinische Forschung intensiv mit diesem Krankheitsbild auseinandergesetzt. Dennoch sind einige kontroversielle Fragen bis heute offen. Vor kurzem diskutierten in Innsbruck Experten über diese Streitpunkte bei Diagnose und Therapie von bipolaren Erkrankungen.

Jeder Mensch kennt Stimmungsschwankungen. Eine bipolare Erkrankung liegt dann vor, wenn diese Schwankungen den Betroffenen so beeinträchtigen, dass die Lebensqualität vermindert oder ein geregeltes Leben nur mehr schwer möglich ist. Während in der Vergangenheit diese Krankheit selten diagnostiziert wurde, hat sich das in den letzten Jahren geändert. Eine Vielzahl von Studien beschäftigte sich mit der bipolaren Störung, einheitliche Maßstäbe für die Diagnose wurden etabliert. „Noch wird allerdings nur die Spitze des Eisberges erfasst“, sagt der Leiter der Ambulanz für Bipolare Erkrankungen an der Univ.-Klinik für Psychiatrie, Prof. Armand Hausmann. „Es gibt eine ganze Reihe von subklinischen affektiven Zuständen, die über eine manifeste Erkrankung hinausgehen und dennoch zu psychokognitiven und psychosozialen Störungen führen“. Eine der Diskussionen an dem von Prof. Hausmann vor kurzem in Innsbruck veranstalteten Symposium widmete sich deshalb der Definition des „Bipolaren Spektrums“, eben jenem Kreis von Störungen, der die hochschwelligen Kriterien für eine bipolare Erkrankung nicht erfüllt und deshalb nicht diagnostiziert wird. „Wir haben bei der Planung bewusst auf Kontroversielles gesetzt“, betont Armand Hausmann, der einige herausragende Wissenschaftler nach Innsbruck holen konnte, darunter Prof. Heinz Grunze von der Universität Newcastle, einen der wichtigsten Vertreter der europäischen Forschung auf diesem Gebiet.

Sind Antidepressiva die richtige Wahl?

Für hitzige Diskussionen sorgte an der Tagung auch die Frage der adäquaten Therapie. So ist die Anwendung von Antidepressiva umstritten. „Die wissenschaftliche Evidenz ist - vor allem in der Phasenprophylaxe und in der Frage der Dauer der Applikation nach Stabilisierung - noch nicht ausreichend gegeben“, sagt Hausmann. „Da Antidepressiva auch Nebenwirkungen haben können – sie führen zu Frequenzsteigerungen und begünstigen Wechsel in manische Phasen – muss ihre Anwendung genau abgewogen werden und zusätzlich ein Antimanikum implementiert werden“, mahnt der Psychiater zu Vorsicht. In diesem Zusammenhang kommt auch der Diskussion des „bipolaren Spektrums“ eine wichtige Rolle zu. „Gemischte Krankheitsepisoden, wo Depression und Manie gleichzeitig auftreten, können mit den vorhandenen Kriterien nicht ausreichend diagnostiziert werden. Eine unkritische Anwendung von Antidepressiva kann in solchen Fällen den Patienten Schaden zufügen, denn besonders depressive Patienten mit subklinisch-manischen Symptomen scheinen zum Kippen in die Manie besonders gefährdet zu sein.“ Der Experte fordert deshalb zu einer umsichtigen Diagnose auf, die auch manische Symptome innerhalb einer Depression wahrnimmt. Rund 110 Teilnehmer verfolgten das zweitägige Symposium an der Univ.-Klinik für Psychiatrie, das in diesem Jahr zum ersten Mal stattfand. „Aufgrund des Erfolgs planen wir bereits eine Fortsetzung im kommenden Jahr“, sagt Organisator Prof. Hausmann, der auch Sekretär der Österreichischen Gesellschaft für Bipolare Erkrankungen (ÖGBE) ist.