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ALUMN-I-MED Diskussion um Schulmedizin und ihre Alternativen

ALUMN-I-MED, der Absolventenverein der Medizinischen Universität Innsbruck lud vergangene Woche erneut zu einer spannenden Podiumsdiskussion ins Hypocenter. ExpertInnen aus dem In- und Ausland erläuterten die Frage: Gibt es verantwortbare Alternativen zur Schulmedizin und welche sind das?

Nachdem ALUMN-I-MED Präsident Prof. Hans Grunicke und HYPO-Hausherr Dr. Günther Unterleitner rund 60 interessierte Zuhörer im HYPO-Saal begrüßen durften, kam die Leiterin des Referats für Komplementärmedizin der Ärztekammer für Tirol, Medizinalrätin Dr.in Doris Schöpf, als erste Referentin zu Wort. Die Ärzteschaft hält es für notwendig, dass die Komplementärmedizin in Ergänzung zur Schulmedizin eingesetzt wird. Die österreichischen Ärztekammern fordern daher, dass nur ÄrztInnen mit einem Diplom der Österreichischen Ärztekammer für ein anerkanntes komplementärmedizinisches Verfahren diese anbieten dürfen. Dies sei eine Forderung der Standesvertretung, nicht nur in Tirol, sondern Österreichweit, wie die langjährige praktische Ärztin und Verfechterin der Homöopathie betonte.

Homöopathie - Wirkung ohne Nebenwirkung?

Die Homöopathie ist eine ca. 200 Jahre alte, europäische Form der Komplementärmedizin, die auf ihren Begründer Dr. Hahnemann zurück geht und relativ unumstritten ist. Das Prinzip wurde aller Wahrscheinlichkeit nach zufällig entdeckt und beruht auf der Erkenntnis, dass Ähnliches mit Ähnlichem geheilt werden kann. Dabei werden Arzneien stark verdünnt und verschüttelt (potenziert). Besonders erfolgreich sei die Homöopathie, die ohne Nebeneffekte parallel zur Schulmedizin verabreicht werden kann, bei akuten Störungen wie Verletzungen oder grippalen Infekten. Kritiker meinen allerdings, dass es sich bei der Wirkung vorwiegend um einen Placeboeffekt handle, da die Substanzen durch die enorme Verdünnung – z.B.1030-fach - nicht mehr nachweisbar sind.

Heilen mit Pflanzen – die Phytotherapie

Pharmakologe Univ.-Prof. Dr. Reiner Fischer-Colbrie, ebenfalls Diskutant, befasst sich unter anderem mit der Beurteilung und Bewertung von Medikamenten und erstellt Gutachten im Rahmen von Medikamentenzulassungsverfahren. Als alternative Pharmakotherapiemethoden nannte Fischer-Colbrie neben der Homöopathie auch die Phytotherapie - die Pflanzenmedizin. Durch Tees, Tinkturen, ätherische Öle und Salben ließen sich zum Teil gute Heilungseffekte erzielen. Allerdings seien die Wirkstoffe in der Pflanze schlecht dosierbar, die Grenze zwischen Wirkung und toxischer Wirkung könne daher verschwimmen. Außerdem hängt die Wirkung der pflanzlichen Stoffe auch von anderen Faktoren wie Jahreszeit, Sonnenlichteinstrahlung etc. ab. Eine Pflanze enthält zudem viele verschiedene Stoffe und man könne in pflanzlichen Präparaten oftmals auch Rückstände von Pestiziden nachweisen. Fischer-Colbrie erklärt damit auch den Umstand, dass man im Laufe des letzten Jahrhunderts zunehmend pflanzliche Präparate durch chemisch synthetisierte Substanzen ersetzt habe bzw. versuche, die Reinsubstanz aus der Pflanze zu isolieren und daraus ein Heilmittel herzustellen. Dies sei eine logische Weiterentwicklung der Phytotherapie. Naturgemäß anders sieht dies Dr. Eugen Burtscher, praktischer Arzt in Vorarlberg und Komplementärmediziner. Er vertritt die – vom Pharmakologen nicht geteilte Meinung – dass bei der Phytotherapie der pflanzliche Wirkstoff in Kombination mit den übrigen Pflanzeninhaltsstoffen – also seiner biologischen Umgebung ein anderes und zum Teil besseres Wirkungsspektrum aufweise als die Reinsubstanz. Beispielsweise kämen zu ihm Patienten, die nach jahrelangem Medikamenteneinsatz pflanzliche Alternativen suchten. Bei Reizmagen könne beispielsweise der gute alte Magenbitter Abhilfe schaffen und insgesamt ließen sich über 30 verschiedene Tinkturen nach wie vor über die Krankenkasse verschreiben. Dies stellt für den Patienten aus Kostengründen natürlich auch ein Kriterium dar. Er bedauert daher, dass die Phytotherapie nicht mehr wie früher Lehr- und Prüfungsgegenstand der Pharmakologie sei. Die Phytotherapie reicht zurück bis ins alte Griechenland und ist mittlerweile weitgehend verschwunden. Allerdings sei sie gut geeignet für PatientInnen, die jahrelang Medikamente nehmen müssten. Dort sei auch die Compliance besonders gut. Als Referent für Komplementärmedizin in der Ärztekammer für Vorarlberg betont er, dass die Phytotherapie nur von ÄrtInnen angewendet werden sollten, die nach entsprechender Ausbildung das Zusatzdiplom (Phytotherapie) erworben haben.

Bioresonanz – problematische Diagnostik

Univ.-Prof.in Dr.in Monika Ritsch-Marte referierte über die Methode der Bioresonanz, die 1977 von einem deutschen Arzt namens Franz Morrell und seinem Schwiegersohn, dem Ingenieur Erich Rasche entwickelt wurde. Es wird behauptet, dass man Störungen von Organfunktionen durch Analyse von elektromagnetischen Schwingungen erkennen und sogar beheben könne. Elektromagnetismus des Körpers als messbare, naturwissenschaftliche Größe macht sich die Schulmedizin z.B. im EKG oder EEG durchaus nutzbar. Allerdings gebe es z.B. keine der Leber, Niere oder dem Darm zuordenbares Schwingungsmuster. Insgesamt seien Diagnostik und Therapie mittels Bioresonanz extrem problematisch zu beurteilen. Der Nutzen dieses Verfahrens sei durch Studien, die den internationalen Standards entsprechen, nicht hinreichend belegt.

TCM boomt

Auch die Traditionelle Chinesische Medizin erlebt seit Jahren einen Aufschwung, der sich in erhöhtem Patientenaufkommen äußert. Eigens aus der Schweiz angereist, referierte die gebürtige Chinesin Dr.in He Yinhe, ihres Zeichens Fachärztin für Psychiatrie, Psychotherapeutin und TCM-Praktikerin, über diesen spannenden Bereich der Komplementärmedizin. Die besten Erfolge erziele man bei der Behandlung von chronischen und multimorbiden sowie psychiatrischen Krankheitsbildern. Der von der Schulmedizin enttäuschte Patient finde beim TCM-Praktiker erhöhte Zuwendung und individuellere Betreuung. Wenn die Grenzen der Spitzenmedizin erreicht seien, bliebe dem Einzelnen oft nur der Weg zum Komplementärmediziner, wobei die TCM oftmals auch mystifiziert würde und den „Reiz des Exotischen“ trage. Kritiker behaupteten auch, dass die TCM für China ein enormer Wirtschaftsfaktor sei und deshalb manche Entwicklungen forciert würden. Tatsache ist, dass die TCM auf den Taoismus und Konfuzismus zurück geht und von einem systemischen Ansatz ausgeht. Leben in Harmonie, der Ausgleich von Yin und Yang sind in der TCM gleich zu setzen mit Gesundheit. TCM-Praktiker arbeiten mit Diagnoseverfahren, die sich von westlichen Methoden stark unterscheiden. So ist beispielsweise die Pulsdiagnose wichtiges Kriterium in der TCM. Die Methode der Akupunktur, die auch von der Schulmedizin restlos anerkannt wird, ist nur eine Form der Diagnose und Therapie. TCM sei als sinnvolle Ergänzung zur Schulmedizin, zur Reduzierung von Schmerzmitteln und auch zur Krankheitsvorbeugung bestens geeignet. Allerdings stoße sie bei akuten Störungen wie Trauma, Infarkt und Psychosen ebenfalls an ihre Grenzen. Daher solle auch die TCM nur von einem schulmedizinisch ausgebildeten Arzt angewendet werden, wie dies auch in China in der Regel der Fall sei. Aber auch diese Methode sei nicht ausreichend klinisch erforscht, wobei es auch schwierig sein dürfte, die Qualität und Effizienz der TCM mit den üblichen klinischen Studien zu messen.

Dass die Komplementärmedizin auf alle Fälle in die Hände gut ausgebildeter MedizinerInnen gehört, darüber waren sich alle ReferentInnen einig. Derzeit prüft die Ärztekammer die Ausbildungssituation für diesen Bereich.

Eine angeregte Debatte ging jedenfalls auch abseits der offiziellen Diskussion, die von Univ.-Prof. in Dr. in Doris Balogh moderiert wurde, weiter. Mit dieser Veranstaltung ist der Absolventenverein seiner Rolle als Plattform für ÄrztInnen und andere Interessensgruppen erneut gerecht geworden. Der im Vorjahr gegründete Verein verfügt mittlerweile über rund 300 Mitglieder und erweitert kontinuierlich sein Angebot.