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Gender Medizin: Sucht im Alter

Im Rahmen der Ringvorlesung Gender Medizin, die verschiedene Disziplinen der Medizin aus der Gender-Perspektive beleuchtet, hielt am vergangenen Donnerstag Univ.-Prof.in Dr.in Gabriele Fischer einen interessanten Fachvortrag über Suchtverhalten im Alter. Vizerektorin Univ.-Prof.in Dr.in Margarethe Hochleitner stellte Fischer, die an der Medizinischen Universität Wien Leiterin der Drogenambulanz - Suchttherapieforschung ist, als herausragende Wissenschaftlerin mit internationaler Vortragstätigkeit vor.

Sucht und ihre Auswirkungen stellen für die Medizin schon durch die demographische Entwicklung der Gesellschaft, in der der Anteil der älteren Menschen stetig zunimmt als ein wachsendes Problem dar. Sucht kann als psychiatrische Erkrankung aufgefasst werden deren Folgeschäden nicht zu unterschätzen sind. Besonders bei Frauen gebe es einen größeren Widerstand gegen eine adäquate Behandlung. Gendermedizinisch gesehen gibt es große Unterschiede im Medikamenten- bzw. Substanzmetabolismus zwischen Frauen und Männern. Ein Beispiel stelle Nikotin dar, das bei Frauen prämenopausal durch das Hormon Östrogen schneller abgebaut werde. Nach der Menopause verändere sich der Metabolismus. Da Frauen Nikotin schneller abbauen, benötigen sie schneller die nächste Zigarette und es würden vermehrt giftige Substanzen aufgenommen. Zigaretten mit verhältnismäßig wenig Nikotingehalt würden dieses Phänomen noch verstärken. Dadurch lässt sich auch die in den letzten Jahren hohe Inzidenz von Bronchuskarzinomen bei Frauen erklären.

Abusus steigt mit Alter

Ab dem Alter von 50 steigt der Medikamentenmissbrauch und somit das Abhängigkeitsrisiko bei Männern und Frauen steil an. Der Konsum von rezeptpflichtigen und somit vom Arzt verordneten Tranquilizern, Schlaf- und Schmerzmitteln ist in dieser Altersgruppe besonders bei Frauen erhöht. Der Alkoholkonsum ist nach 50 eher gering; dies ist aber auch durch ein frühzeitiges Versterben von Alkoholkranken zu erklären. Problematisches Trinkverhalten wird oft nicht erkannt bzw. falsch diagnostiziert. In der Gruppe der über 60-jährigen geben sogar 2/3 der PatientInnen an, Psychopharmaka, vor allem Benzodiazepine, regelmäßig einzunehmen. Dabei stehen Schlafstörungen und psychische Begleiterscheinungen sowie chronische Schmerzzustände als lästige Symptome im Vordergrund. Häufig anzutreffen sei auch der Einsatz dieser Medikamente zur Sedierung von Alters- und Pflegeheimbewohnern.

Gründe für die Sucht

Neben den somatischen Auslösern für die Entstehung von Sucht und die Einnahme von Suchtmitteln spielen auch psychosoziale Faktoren eine große Rolle. Die veränderte Lebenssituation von Frauen durch die Loslösung der Kinder, höhere Prävalenz von Depressionen, der Verlust der eigenen Eltern und/oder des Lebenspartners sowie die veränderte berufliche Rolle durch Pensionierung sind auslösende und verstärkende Faktoren. Meist sind Benzodiazepine und Opioide Sedativa die Mittel der Wahl zur Erleichterung. Ein so genanntes Aging-out Phänomen ergibt sich bei Cannabis, das vorwiegend von jüngeren Altersgruppen konsumiert werde. Die generellen Risikofaktoren für die Entstehung von Sucht im fortgeschrittenem Alter sind: weiblich, soziale Isolierung und eine frühere Suchterkrankung. Beim Alkoholabusus kommen als ungünstige Voraussetzungen eine unstrukturierte Freizeit, Verfügbarkeit finanzieller Mittel sowie Vereinsamung und Verlusterlebnisse dazu. Zwei bis zehn Prozent der über 60-jährigen sind alkoholsüchtig, aber nur noch zwei bis fünf Prozent der über 75-jährigen. Die Alkoholsucht betrifft in stärkerem Ausmaß die männliche Bevölkerungsgruppe, wobei ab 65 1,2 % der Männer und nur 0,27% der Frauen davon betroffen sind. Dies begründet sich einerseits darin, dass der Alkohol im Alter langsamer abgebaut werde und man weniger konsumieren muss und andererseits dadurch, dass ein Teil der Alkoholkranken bereits verstorben sei. Häufig zu finden seien in diesem Zusammenhang chronische Schmerzsyndrome, Multimorbidität und gestörte Schlafmuster sowie auf der psychosozialen Ebene Verlust der Autonomie, Verstimmung und Depression sowie ein Fehlen von Perspektiven.

Suchtbehandlung als wachsende Herausforderung

Fischer betonte, dass sich im Jahre 2020 der Prozentsatz der behandlungsbedürftigen (Sucht-) Patientinnen und Patienten nahezu verdoppeln werde und dass diese Form der psychiatrischen Erkrankungen eine wachsende Herausforderung für die Medizin darstellen werde. „Suchtverhalten verfolgt immer einen individuellen Zweck, wobei das Ziel der Behandlung eine gemeinsame Eruierung des Problems mit dem Patienten erfordert. Das Ziel hierbei ist es, die Minderung der Auswirkung des Suchtverhaltens zu finden“, resümierte Fischer ihren Vortrag.