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Internationaler Tag gegen den Lärm 2009

Bereits zum zwölften Mal wird heute mit dem internationalen "Tag gegen den Lärm" (Noise Awareness Day) auf die Folgen des Lärms für die Gesundheit aufmerksam gemacht. Das Gefahrenpotential des Lärms wird oft unterschätzt. Doch Studien zeigen: schon bei geringen Lärmpegeln kommt es zu Veränderungen in unserem Körper, die nachhaltige Schädigungen bewirken können.

Allgemein bekannt sind die Auswirkungen des Lärms auf das Gehör: Schwerhörigkeit und Tinnitus. Hohe Schallpegel schädigen das Innenohr schon bei kurzfristiger Exposition. Wenige Stunden Aufenthalt bei Pegeln über 85 dBA führen zu einer vorübergehenden Anhebung der Hörschwelle. Im Regelfall erholt sich die Schwelle wieder, wenn das Ohr anschließend die nötige Ruhe erhält. Besteht die Lärmexposition aber dauerhaft - über Jahre und Jahrzehnte - wird die Schwellenanhebung zunehmend irreversibel. Das Ergebnis ist eine permanente Schwerhörigkeit. Dazu Univ.-Prof. Patrick Zorowka von der Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen (HSS): "Eine Hörstörung hat gravierende Auswirkungen auf die Lebensqualität. Sie führt zum Verlust der Arbeitsqualifikation, zu erschwerter Kommunikation, zur Verschlechterung der sozialen Einbindung und - besonders bei alten Menschen - zu Vereinsamung und emotionalen Problemen."

Lärm und Tinnitus

Nicht nur hohe, sondern bereits mittlere (70 bis 80 dBA) Schallpegel können das Gehör schädigen: Sie erhöhen möglicherweise das Risiko für Tinnitus. Viele Tinnituspatienten berichten, solchen Pegeln häufig ausgesetzt zu sein: im Beruf (Schule, Kindergarten) oder in der Freizeit. Dabei spielt neben der Dauerhaftigkeit des Lärms auch seine Impulshaltigkeit eine Rolle, also der rasche Wechsel von leise zu laut. In Betrieben mit hohem Impulslärm, z.B. in Gesenkschmieden, leiden teils mehr als die Hälfte der Arbeiter an Tinnitus.

Lärm am Arbeitsplatz

Schätzungsweise 30.000 Tiroler sind am Arbeitsplatz gefährlichem Lärm ausgesetzt und sollten sich alle 5 Jahre einer Gehöruntersuchung unterziehen. Lärmschwerhörigkeit ist immer noch die häufigste Berufskrankheit, obwohl sie durch eine Reihe von Maßnahmen wirkungsvoll bekämpft werden kann.

Lärm und Allgemeinbefinden

Lärm bedroht aber nicht nur das Gehör, sondern auch die körperliche, psychische und soziale Integrität der Menschen. Entscheidender Angriffspunkt ist das Hormonsystem: Lärm induziert die Ausschüttung der Stresshormone Cortisol, Adrenalin und Noradrenalin. Dazu reichen bereits geringe Pegelstärken, wenn diese als Störung empfunden werden. Univ.-Doz. Dr. Maximilian Ledochowksi von der Univ.-Klinik für Innere Medizin I: "Für die allgemeinmedizinischen Effekte des Lärms ist nicht so sehr der Schalldruck in dB, sondern das subjektive Schallempfinden ausschlaggebend. Objektive Lärmmessungen haben in dieser Hinsicht nur untergeordnete Aussagekraft." Über das Hormonsystem greift der Lärm in somatische Systeme ein, vor allem durch die Erhöhung des Blutdrucks. Besteht diese langfristig, wird sie zum Risikofaktor für kardiovaskuläre Erkrankungen, Herzinfarkt und Schlaganfall. Lärm verhindert zudem Erholung, Regeneration und Schlaf, setzt die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit herab, und beeinträchtigt - besonders bei Kindern - das Lernen und die intellektuelle Entwicklung. Zunehmende Beachtung finden auch seine Auswirkungen auf soziale Systeme: Lärm macht aggressiv und schafft zwischenmenschliche Spannungen.

Prävention durch Stärkung des Lärmbewusstseins

Univ.-Prof. Peter Lercher von der Sektion für Sozialmedizin untersucht seit vielen Jahren die Lärmbelastung in Tirol und tritt für entschlossene Strategien gegen die Ausweitung des Lärms ein. Vor allem für den Schutz der Ruhe: "Der räumlichen und zeitlichen Ausbreitung der Lärmteppiche muss Einhalt geboten werden. Sogenannte 'ruhige Gebiete' im ländlichen Bereich und 'ruhige Zonen', etwa Hinterhöfe, müssen unter Schutz gestellt werden." Ruhe heißt nicht, dass keine Geräusche vorkommen dürfen, sondern dass die vorhandenen Geräusche zur Gegend passen. Man spricht in diesem Zusammenhang von "Soundscape" Ein EU-Projekt versucht derzeit, Messansätze zur Charakterisierung von Soundscapes zu standardisieren - eine Voraussetzung, um bestimmte Gebiete unter Lärmschutz zu stellen. Wo der Lärm nicht mehr zu verdrängen ist - in Stadtgebieten - müssen Rückzugsbereiche geschaffen werden, in denen Grundbedürfnisse wie Schlafen, Kommunizieren oder Lernen ungestört bleiben.

Stille ist eine notwendige Voraussetzung für Schlaf und Erholung, sowie für geistige und kreative Leistungen. Der Schutz der Stille ist primär ein Schutz des Menschen. "Zeiten der Stille müssen gesetzlich strenger geschützt werden," fordert deshalb DDr. Viktor Weichbold von der Klinik für Hör-, Stimm- und Sprachstörungen, "etwa die Nachtruhe zwischen 22 und 6 Uhr. Ihre Bewahrung muss ein allgemeines und insbesonders politisches Anliegen sein."