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Gender Medizin: Der kleine Unterschied

Auf reges Publikumsinteresse stieß vergangenen Donnerstag der Vortrag über Frühlings- und andere Gefühle der Leiterin der Sektion für Neurobiochemie am Innsbrucker Biozentrum, Univ.-Prof.in Christine Bandtlow. Im Rahmen der von Vizerektorin Univ.-Prof.in Margarete Hochleitner initiierten Ringvorlesung Gender Medizin kam auch der "kleine Unterschied" im emotionalen Empfinden und der neuronalen Verarbeitung von Liebe und Lust zwischen Mann und Frau zur Sprache.

Das Gefühl der Verliebtheit lässt sich neuronal und neurobiochemisch nachweisen. Mittels einer funktionellen Magnetresonanztomographie kann man die erhöhte Stoffwechselaktivität, den erhöhten Blutfluss bestimmter Gehirnareale sichtbar machen. In einer Oxford-Studie wurden 17 Probandinnen und Probanden, die zuvor erklärt hatten, „verrückt vor Liebe zu sein“, Fotos von ihrem Liebesobjekt unter MRT-Kontrolle gezeigt und dabei festgestellt, dass eine besonders hohe Aktivierung des Lust- und Belohnungszentrums erfolgte. Dieses ist Teil des limbischen Systems, das mit verschiedenen Regionen des Kortex verbunden ist und auch durch Drogen wie Heroin oder Kokain, aber auch durch Sex, Zigaretten, Gewinn beim Spiel, Kaffee und fetthaltige Nahrung aktiviert wird. Die sprichwörtliche „rosarote Brille“ oder „Liebesblindheit“ lässt sich wissenschaftlich auch dadurch erklären, dass im Stadium der echten Verliebtheit, andere Gehirnareale, wie beispielsweise der Mandelkern, der für das kritische Beurteilen von Menschen und Situationen sowie für Angst und Ablehnung zuständig ist, deaktiviert sind. Interessanterweise trat aus dieser Studie auch hervor, dass bei Mutterliebe ähnliche Hirnareale aktiviert waren, aber zusätzlich auch noch Areale, die für die Gesichtswahrnehmung fungieren. Bei der romantischen Liebe waren naturgemäß auch sexuelle Erregungszentren aktiviert.

Was passiert neurobiochemisch?

Wenn Menschen verliebt sind, spricht man gerne auch davon, dass zwischen ihnen die Chemie stimme. Chemisch lassen sich tatsächlich interessante Dinge im menschlichen Körper nachweisen. So sinkt beispielsweise der Serotoninspiegel in frühen Phasen der Verliebtheit. Dies führt zu Appetitlosigkeit, Enthemmung und geringerer Schmerzwahrnehmung. Auch bei Zwangsstörungen ist der Serotoninspiegel permanent gesenkt. Die beiden Neurotransmitter Adrenalin und Dopamin hingegen steigen und wirken wiederum direkt auf das Lust- und Belohnungszentrum. Metabolisch aktive Areale haben wiederum eine hohe Rezeptordichte für Oxytocin und Vasopressin. Zwei ebenfalls äußerst wichtige und interessante, körpereigene Substanzen. Oxytocin wirkt beruhigend und euphorisierend und spielt eine wesentliche Rolle bei Wehentätigkeit und Muttermilchproduktion. Dieser seit 1950 bekannte Umstand, wurde 1970 noch um Erkenntnisse erweitert, die besagen, dass Oxytocin auch für die Mutter/Kind-Bindung und für erhöhte Bindung an den Partner eine Funktion hat. Dieses „Kuschelhormon“, wie es auch genannt wird, kann man mittlerweile auch in Form von Sprays künstlich zuführen. Eine natürliche Ausschüttung erfolgt durch Zärtlichkeiten und Sex. Der chemische Unterschied zum Vasopressin besteht nur in einer einzigen Aminosäure (Eiweißbaustein), hat aber gegenteilige Wirkung und wird als „Aggressionshormon“ bezeichnet. Vasopressin findet sich in fast allen lebenden Organismen, weshalb es auch im Tierversuch getestet wurde.

Treue und untreue Mäuse

Getestet wurden Wiesenwühlmäuse und Präriewühlmäuse und deren Partnerverhalten. Während die einen sehr promiskuitiv sind, leben die anderen monogam und beschränken sich zeit ihres Lebens auf einen einzigen Geschlechtspartner. Bei der Untersuchung der Gehirne dieser Mäuse wurden starke Unterschiede im Vorhandensein von Oxytocin und Vasopressin und zugehöriger Rezeptoren festgestellt. Daraus ergibt sich natürlich die Frage, ob diese Neuropeptide auch das Sexualverhalten bei Mann und Frau steuern. Weitere Tierversuche mit Drosophilafliegen wiederum zeigten die Wichtigkeit der so genannten Pheromone; das sind gasförmige Stoffe, die als chemisches Signal über ein Geruchssystem aufgenommen werden und die das Sexual- und Sozialverhalten steuern. Für die Aufnahme dieser Pheromone wurde eine spezifische Hirnsubstanz, das vomeronasale Organ, gefunden. Weiters konnte man ein für das Sexualverhalten ausschlaggebendes Gen bei diesen Fliegen finden, das darüber entscheidet, ob eine männliche Fliege in Balzgesang verfällt oder ob das Weibchen lediglich entscheidet, ob sie den Werber gewähren lässt. Es besteht bei der Drosophila Fliege also ein eindeutiger sexueller Dismorphismus, das heißt eine spezifische Gehirnbeschaffenheit, die über Männlein oder Weiblein entscheidet. Und wie tickt das menschliche Gehirn?

Mit der Nase auf Partnersuche?

Beim Menschen konnten nur bei rund 25 Prozent ein derartiges vomeronasales Organ gefunden werden. Dieses ist embryonal und postnatal vorhanden, bildet sich dann aber zurück und ist nur mehr als rudimentäre Anlage erkennbar und es besteht keine eindeutige Verbindung zum Gehirn. Trotzdem können Menschen auf pheromonähnliche Stoffe reagieren. Der Sitz ist in der Nase. Männlicher Schweiß enthält ein Testosteron-Derivat und Frauen weisen im Urin ein Östrogen ähnliches Steroid nach. Eine Aktivierung des Hypothalamus ist meist nur bei Männern bei Östrogengeruchswahrnehmung vorhanden. Homosexuelle Männer hingegen reagieren auf das Testosteron ähnlich wie Frauen. Dies ist in der so genannten präoptischen Region, einem Teil des Hypothalamus ersichtlich, der bei Männern sechs Mal größer als bei Frauen oder homosexuellen Männern ist. Dieser eindeutige Sexualdimorphismus kristallisiert sich erst zwischen dem 4. und 10. Lebensjahr heraus. Inwieweit dieser Kernbereich ausschlaggebend für die Geschlechteridentität oder sexuelle Präferenz sein könnte, ist jedoch unklar.

Worin besteht der kleine Unterschied?

Fest steht, dass im menschlichen Gehirn Unterschiede im Bereich der präoptischen Region und des Mandelkerns (Gefühlsschaltzentrale) in Größe und Form zwischen Mann und Frau bestehen. Inwieweit dieser sexuelle Dimorphismus ausschlaggebend für das geschlechtsspezifische Verhalten und die -identität ist, ist noch nicht restlos geklärt.