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ONCOTYROL-i-med: Real life data für das Multiple Myelom

Der Medizinischen Universität Innsbruck (i-med) ist es ein Anliegen, die hier in Innsbruck erzielten Ergebnisse der Grundlagenforschung schnell und sorgfältig geprüft ans Krankenbett zu bringen. Daher engagiert sie sich in dem großen akademisch-industriellen Forschungsverbund ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine. Viele i-med-Wissenschaftler und -Kliniker leiten Forschungsprojekte oder ganze Bereiche in ONCOTYROL. Diese Serie wird in regelmäßiger Folge i-med/ONCOTYROL-Forschung und deren Ergebnisse vorstellen.

Über die Zulassung von neuen Therapien oder Medikamenten entscheiden umfangreiche klinische Studien. „Sie sind das beste Mittel, das wir haben“, sagt Wolfgang Willenbacher, Projektleiter in ONCOTYROL und Oberarzt an der Univ.-Klinik für Innere Medizin V der Medizinischen Universität Innsbruck. Doch die Zulassungstests spiegeln die Realität nur begrenzt wider: Um statistisch aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen, müssen Studienpatienten vergleichbar sein. Das bedeutet, es handelt sich stets um ausgewählte, oft hochselektierte, Patientengruppen. Meist sind es junge, männliche, weiße Patienten, die keine Begleiterkrankungen haben und mit dem „alltäglichen“ Patienten an der Klinik kaum vergleichbar sind. Außerdem können klinische Studien nur an einer begrenzten Zahl von Teilnehmern durchgeführt werden, so dass seltene Neben- oder Wechselwirkungen oder solche, die erst im Laufe von Jahren auftreten, nicht erfasst werden. Die Langzeit-Qualitätskontrolle medizinischer Verfahren lässt sich mit Hilfe krankheitsspezifischer Register verbessern, die daher immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Wie sich Therapien im wahren Leben bewähren - ein Register gibt Auskunft

„Wir wollen mit Hilfe einer internetbasierten Datensammlung ein reales Bild des Multiplen Myeloms gewinnen“, erklärte Willenbacher kürzlich auf der Frühjahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (ÖGHO) in Salzburg. Im Rahmen von ONCOTYROL und unter Schirmherrschaft der ÖGHO wird das Österreichische Myelom Register aufgebaut. Prof. Günther Gastl, Leiter der Univ.-Klinik für Innere Medizin V, ist ebenfalls an dem Projekt beteiligt und derzeit Präsident der ÖGHO.

Für die Behandlung des Multiplen Myeloms sind in den letzten Jahren neue zielgerichtete Medikamente auf den Markt gekommen, die die Überlebensraten in klinischen Studien deutlich gesteigert haben. Mit Hilfe des Registers soll geklärt werden, ob diese Wirkungen auch unter realen Bedingungen so deutlich zutage treten wie in den Studien, oder ob Empfehlungen für Dosierung, Reihenfolge oder Kombination bestimmter Mittel angepasst werden müssen. Die Datenbank dient auch für gesundheitsökonomische Analysen - die neuen Medikamente sind sehr teuer. Nicht von ungefähr ist das Projekt daher im Forschungsbereich 4 von ONCOTYROL angesiedelt, der sich mit dem sogenannten Health Technology Assessment (HTA) befasst, also mit der umfassenden Beurteilung neuer medizinischer Verfahren nach medizinischen, ökonomischen, ethischen und sozialwissenschaftlichen Gesichtspunkten. Der Bereich wird von Prof. Uwe Siebert, UMIT - Private Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, geleitet.

Zudem wird das Register helfen, prospektive oder prädiktive Marker zu finden. Das sind charakteristische Merkmale eines Patienten oder seiner Krankheit, die über den Krankheitsverlauf und die Wirksamkeit einzelner Therapien im Sinne einer Vorhersage Auskunft geben. Solche Merkmale können zum Beispiel strukturelle Chromosomen-Veränderungen sein. Mit Hilfe von Biomarkern lassen sich Krebsdiagnosen und -therapien auf einzelne Patienten zuschneiden. Sie sind Grundlagen für eine personalisierte Krebsmedizin.

Im Laufe des ONCOTYROL-Projekts, an dem auch der Pharmakonzern Janssen-Cilag beteiligt ist, soll die Datensammlung mit einer Biobank verknüpft werden. Das heißt, es wird nicht nur der klinische Verlauf einer Erkrankung datenmäßig erfasst, sondern parallel dazu werden auch Blut- oder Gewebeproben genommen. Neue Hypothesen, die sich aus der bioinformatischen Auswertung der Register-Daten ergeben, können dann an den Proben überprüft werden.

In Tirol sind derzeit drei Kliniken an das Register angeschlossen: Innsbruck, Hall und Zams, etwa 130 Personen sind erfasst. Vorbereitungen, um die Zustimmung der Ethikkommissionen einzuholen, laufen in Oberösterreich und Wien. Ende des Jahres werden etwa 200 Patienten in die Datenbank aufgenommen sein. Geplant ist eine nationale Ausweitung.

Hintergrund Multiples Myelom

Das Multiple Myelom ist eine nur selten (lediglich über Knochenmarkstransplantation) heilbare Form des Blutkrebses. Es handelt sich um einen Tumor der reifen B-Zellen, der Plasmazellen. Die Tumorzellen breiten sich im Knochenmark aus, beeinträchtigen die normale Blutbildung und beschädigen das Skelett. Die Patienten leiden unter Blutarmut und Infektanfälligkeit. Zudem erhöht der von den Krebszellen oft in extremen Mengen produzierte Antikörper den Eiweißanteil im Blut und kann zu Nierenproblemen führen.

Derzeit gibt es in Österreich etwas 350 Neuerkrankungen pro Jahr. Die durchschnittliche Überlebenszeit liegt derzeit bei 5-8 Jahren. Wieviele Myelompatienten es insgesamt in Österreich gibt - diese Zahl wird erst durch Aufbau des Registers zur Verfügung stehen.

Hintergrund ONCOTYROL

ONCOTYROL ist ein Verbund kompetenter Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft zur beschleunigten Entwicklung und Evaluierung individualisierter Krebstherapien, sowie prognostischer und präventiver Methoden. Im Bereich der Wissenschaft stehen die drei Tiroler Universitäten im Zentrum, insbesondere die Medizinische Universität. Die Universitäten arbeiten mit internationalen Wissenschaftspartnern wie der Harvard Medical School zusammen. Auf Seiten der Wirtschaft sind regionale, überregionale und international agierende Konzerne beteiligt. ONCOTYROL wurde im Rahmen des Strukturprogramms COMET der österreichischen Bundesregierung in Innsbruck gegründet und wird mit nationalen und Landesmitteln zu rund 50% gefördert. Gemanagt wird das Großprojekt von der Innsbrucker CEMIT GmbH Center of Excellence in Medicine and IT.

Besondere Bedeutung der Medizinischen Universität

Die i-med ist in allen Bereichen von ONCOTYROL, ob wissenschaftlich oder strategisch, entscheidend beteiligt: Sie ist Gesellschafterin, Konsortialpartnerin, stellt die wissenschaftliche Leitung (Prof. Lukas Huber), stellt drei von fünf Area-Leitern (Prof. Helmut Klocker, Prof. Gottfried Baier und Prof. Günther Gastl) und mehr als die Hälfte aller Projektleiter. Die i-med leitet mehr als die Hälfte der ONCOTYROL-Projekte beteiligt.