search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

Streitbare Bipolare Störung

Anfang Juni trafen sich in Innsbruck bereits zum zweiten Mal nationale und internationale Experten zum Symposium "Kontroversielle Fragen zur Bipolaren Störung". Der Name des Symposiums nimmt die Thematik schon vorweg: Auch wenn sich die klinische Forschung in den vergangenen Jahren intensiv mit dem Krankheitsbild dieser, herkömmlich als manisch-depressive Erkrankung (MDK) bezeichneten, psychischen Störung befasst hat, sind bei Diagnose und Therapie bis heute einige Fragen strittig.

Die Bipolare affektive Störung gehört zu den Affektstörungen und äußert sich bei den Betroffenen in episodischen, schwierig kontrollierbaren Stimmungsschwankungen, die über das normale Maß hinausgehen und ein geregeltes Leben auch für die soziale Umwelt erheblich beeinträchtigen. Die derzeitigen nosologisch-diagnostischen Kategorien beschreiben klinisch gut fassbare Symptome. „Das komplexe Spektrum der Erkrankung mit subklinischen Erscheinungsformen wird diagnostisch aber derzeit kaum erfaßt,“, betont Organisator und Leiter des Symposiums, ao. Univ.-Prof. Armand Hausmann von der Univ.-Klinik für Allgemeine und Sozialpsychiatrie (Direktor Univ.-Prof. Hartmann Hinterhuber). So findet sich hinter der derzeitigen Diskussion einer für den Patienten und die Therapie sinnvollen Beschreibung der Erkrankung (Kontinuum vs. distinkte Kategorien) der alte epistemologische Streit zwischen taxonomischem und ideographischem Zugang zum Menschen wieder.

Von diagnostischen Abgrenzungen, fließenden Übergängen und therapeutischen Algorithmen

Nachdem diese Thematik schon im Vorjahr eine Vielzahl anerkannter Expertinnen und Experten zur Diskussion nach Innsbruck zog, konnte sich das Symposium auch heuer als gelungene Gepflogenheit universitärer Streitgespräche beweisen. Unter dem Vorsitz des geschäftsführenden Direktors des hiesigen Departments für Psychiatrie und Psychotherapie, Univ.-Prof. W. Wolfgang Fleischhacker und dem Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Carl Gustav Carus Universität Dresden und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Erkrankungen (DGPS), Prof. Michael Bauer diskutierten Wissenschafter am ersten Tag über die diagnostische Grenzziehung zur unipolaren Depression einerseits und zur Schizophrenie andererseits, sowie über den status quo und die wissenschaftliche Evidenz z.B. der Therapie mit Lithium oder Depotantipsychotika. Der Frage, wem das Erstellen von therapeutischen Algorithmen dient, widmete sich am zweiten Tag Prof. Heinz Grunze von der Newcastle University School of Neurology, Neurobiology and Psychiatry und langjähriger Zentrumsleiter des Stanley Foundation Bipolar Networks in München (SFBP) als einer der herausragendsten europäischen Forscher auf diesem Gebiet. Erstmalig wurde auch versucht, psychodynamische Kontroversen ins Programm aufzunehmen. Der Psychoanalytiker ao. Univ.-Prof. Dr. Martin Kurz der hiesigen Klinik referierte über die Frage, wieso die Manie nicht als reine Abwehr der Depression zu verstehen ist.

Univ.-Prof. Hausmann ist seit 2004 Dozent für Psychiatrie an der Medizinischen Universität Innsbruck und leitet die Tagesklinik für Affektive Erkrankungen sowie die Ambulanz für Stimmungsschwankungen. "Der kontroversielle Grundton der Tagung hat sich bewährt und wenn im gegenseitigen Respekt Grundlegendes unserer Tätigkeit diskutiert wird, kann dies nur fruchtbar sein!".