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Ketamin macht Notfallbeatmung sicherer

Wenn PatientInnen nach Notfällen intubiert werden müssen, dann sind neben den Fähigkeiten der ÄrztInnen auch die Medikamente entscheidend. Praktische Forschung in diesem Bereich wird allerdings durch EU-Richtlinien massiv erschwert. Um diese Situation zu entschärfen, fordern Univ.-Prof. Karl Lindner (Direktor der Univ.-Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin) und Univ.-Prof. Volker Wenzel im renommierten The Lancet eine Erleichterung bei den Durchführungsbestimmungen für akademische Studien.

Lebensgefährlich verletzte oder erkrankte PatientInnen (zum Beispiel nach einem schweren Verkehrsun-fall oder Herzinfarkt) benötigen oft eine künstliche Beatmung. Bei der künstlichen Beatmung wird nach einer Narkose am Notfallort ein kleiner Schlauch durch den Mund der Patientin / des Patienten in die Luftröhre geschoben, um mit einem Beatmungsgerät Sauerstoff in die Lunge zu pumpen. Wenn das Vorschieben dieses Beatmungsschlauchs in die Luftröhre nicht korrekt gelingt und so eine künstliche Beatmung scheitert, läuft die Patientin / der Patient große Gefahr zu ersticken weil durch die Narkose nicht mehr geatmet wird. „Um die Erfolgswahrscheinlichkeit einer künstlichen Beatmung und damit die Überlebenschance wesentlich zu erhöhen“, so Notfallmediziner Wenzel, „hat eine sichere Narkose am Notfallort eine große Bedeutung“.

Wichtige Erkenntnisse im Medikamentenvergleich

ForscherInnen in Frankreich haben nun das Schmerz-Medikament Ketamin im Vergleich mit dem Ein-schlaf-Medikament Etomidat untersucht, das sie 655 lebensgefährlich verletzten oder erkrankten PatientInnen im Rahmen einer Doppelblindstudie am Notfallort injiziert haben; die Studie ist in Europas führender Medizin-Zeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht worden. Interessanterweise konnten beide Medikamente eine künstliche Beatmung vergleichbar gut vorbereiten, obwohl sie aufgrund ihres Wirkungsmchanismus sehr unterschiedlich sind - Ketamin erzeugt eine Art Trance-Zustand, während Eto-midat eine Vollnarkose erzeugt. Entscheidender Unterschied ist jedoch, dass die Patientin / der Patient mit Ketamin weiter atmet, nach einer Injektion Etomidat jedoch nicht. Gibt es also Schwierigkeiten bei einer Notfallbeatmung, hat Ketamin durch die erhaltene Eigenatmung der Patientin / des Patienten eine höhere „eingebaute“ Sicherheit. „Weiters hat Etomidat mehr als Ketamin die Reaktionsmöglichkeit der Nebenniere auf einen Schock abgeschwächt, was eine weitere Schocktherapie erschweren kann“, betont Wenzel.

Hürden bei Non-Profit Studien

Auf Einladung der The Lancet-Herausgeber haben Univ.-Prof. Volker Wenzel und Univ.-Prof. Karl Lind-ner in einem Editorial dazu geschrieben: „Wir wussten, dass die Erfahrung der Notärztin / des Notarztes bei einer Narkose am Notfallort extrem wichtig ist, um Menschenleben zu retten, aber dass eine einzige Injektion Etomidat am Notfallort die Schocktherapie im OP oder auf der Intensivstation negativ beeinflussen kann wussten wir nicht.“ „Leider“, so Wenzel weiter, „werden derartige Studien in Zukunft immer weniger werden, weil die Bürokratie der Europäischen Union akademische Studien in der Medizin enorm erschwert. Wir wollen mit pfiffigen Studien Menschenleben retten, aber die Europäische Union interessiert nur, ob wir die gleichen komplexen Regeln einhalten wie global agierende Pharmafirmen in einer kommerziellen Zulassungsstudie.“ „Schon bald“, so Wenzel, „werden wir wie ÄrztInnen in Entwicklungsländern sein: Viele Fragen, wie wir die Versorgung der uns anvertrauten PatientInnen verbessern können, aber keine Möglichkeit, dies mit Studien zu beweisen.“