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Prof. Raimund Margreiter oder: Die Qualität der Chirurgie

Im Anschluss an ein resümierendes Symposium zur Geschichte der Innsbrucker Chirurgie verabschiedeten sich vergangenen Freitag zahlreiche Gäste im Rahmen einer festlichen Abendveranstaltung im Congress Innsbruck von Univ.-Prof. Raimund Margreiter. Der langjährige Leiter der Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie, unter dessen Händen die Chirurgie in Innsbruck zu Weltruhm gelangte, tritt mit Ende September in den Ruhestand - seine Arbeit wirkt weiter.

Die Assoziationen, die sich mit dem Namen Raimund Margreiter ergeben, sind vielfältig. Spitzenmediziner, Starchirurg, Vater der Transplantationschirurgie, Perfektionist und Grenzgänger sind nur einige Beispiele – und trotzdem beschreiben sie jeweils nur eine Facette eines Menschen und Mediziners, dessen chirurgisches Engagement in den vergangenen 44 Jahren den Ruf der Innsbrucker Medizin wie kein zweiter geprägt hat. Es mag an seinem Hang zum Perfektionismus oder an seiner Durchsetzungskraft, an seinem Mut oder an seiner Zielstrebigkeit gelegen haben, dass die Innsbrucker Chirurgie in den vergangenen Jahrzehnten einen derartigen Aufschwung erlebte. In jedem Fall darf Prof. Margreiter in Zeiten des medizinischen Fortschritts und zunehmender Spezialisierung als einer der wenigen universellen Mediziner bezeichnet werden. Dem Anspruch nach umfassender Darstellung seiner Leistungen kann schon deshalb nicht entsprochen werden.

Erfolgsgeschichte der Innsbrucker Chirurgie

Am 16. Mai 1941 in Fügen in Tirol geboren, absolvierte Raimund Margreiter das Studium an der medizinischen Fakultät Innsbruck in kürzester Zeit und wurde 1965 zum Dr. med. promoviert. Nach 2 Jahren in Salzburg kehrte er auf eine Assistentenstelle für Chirurgie an die Universitätsklinik nach Innsbruck zurück. 1980 folgte die Habilitation, 1999 wurde er zum Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie an der medizinischen Fakultät Innsbruck bestellt und 2002 zum Leiter der Klinische Abteilung für Allgemein- und Transplantationschirurgie, die nach Änderung der Organisationsstruktur im Mai 2008 als Universitätsklinik für Visceral-, Transplantations- und Thoraxchirurgie unter der Leitung von Prof. Margreiter dem Department Operative Medizin angehört.

Nach der ersten Nierentransplantation im Jahre 1974, die Prof. Margreiter bereits zwei Jahre nach Erlangung des Facharzttitels durchführte, gelang drei Jahre später die erste Lebertransplantation in Innsbruck und 1979 die erste kombinierte Nieren-Pankreas-Transplantation Österreichs. Im Jahre 1983 führten Margreiter und Univ.-Prof. Franz Gschnitzer die erste Herztransplantation Österreichs sowie mit anderen Mitgliedern seines eingespielten Ärzteteams die weltweit erste kombinierte Leber-Nieren-Transplantation durch.Es folgten zahlreiche weitere beeindruckende Verpflanzungen wie 1985 die Österreich weit erste Herz-Lungenverpflanzung, 1987 die erste Doppellungentransplantation und 1989 die weltweit erste erfolgreiche Multiviszeraltransplantation – ein weiterer Meilenstein, der das Renommee der Innsbrucker Chirurgie verstärkte. Ein Jahr später gelang dann die erste isolierte Darmtransplantation gefolgt von der ersten Inselzelltransplantation. Im Jahr 2000 sorgte die Doppelhandtransplantation bei Theo Kelz für internationales Aufsehen.

Der Chirurg Margreiter war und ist aber immer auch Wissenschafter mit der Überzeugung, dass erfolgreiches Transplantieren ohne Kenntnis der molekular- und zellbiologischen Grundlagen nicht möglich ist. „Medizinische Versorgung auf höchstem Niveau ist ohne begleitende Grundlagenforschung längerfristig nicht denkbar“, betont der Forschungsförderer Margreiter, der neben der Organverpflanzung vor allem auch in der Tumorchirurgie Schwerpunkte setzte und zudem ehrenamtlicher Leiter der Tiroler Krebshilfe war. So sind auch das Tiroler Krebsforschungsinstitut (TKFI) und das Daniel-Swarovski-Forschungslabor -zwei höchst erfolgreiche Einrichtungen der Grundlagenforschung - eng mit seinem Namen verbunden.

Individualist mit Mut zur Wahrheit

Neben Margreiters Familie und zahlreichen Freunden und MitarbeiterInnen waren unter anderen Altrektor Prof. Hans GrunickeRekor-Stellvertreter Prof. Manfred Dierich, die TILAK-Vorstände Mag. Stefan Deflorian und Mag. Andreas Steiner, Pflegedirektorin Dr. Christine Schaubmayr und der Ärztliche Direktor Dr. Wolfgang Buchberger, Landtagsvizepräsidentin Gabi Schiessling und Innsbrucks Bürgermeisterin Hilde Zach zur abendlichen Festveranstaltung in die Dogana gekommen. Der langjährige Klinikchef bedankte sich mit einem Schuss Selbstironie besonders bei seinen direkten MitarbeiterInnen und beim OP-Personal, „die wohl am meisten unter meinem Perfektionismus und meinem Hang zur Cholerik gelitten haben“.

In seiner Abschiedsvorlesung nützte Prof. Margreiter den Blick zurück, um den Status der gegenwärtigen Chirurgie zu veranschaulichen. Der unglaubliche Fortschritt der Chirurgie während der 44 Jahre seiner Berufslaufbahn gerade in der Herz- und Transplantationschirurgie, sowie in letzter Zeit der minimal–invasiven Chirurgie sei in dieser Form nicht vorhersehbar gewesen. Trotzdem gehe es nicht um die Frage, wie allmächtig die Chirurgie sei, sondern um deren Qualität, welche sich nicht nur an den Vorgaben der Behandlungspfade und der evidenz-basierten Medizin messen lasse. „Auch nach 44 intensiven chirurgischen Jahren habe ich bis zuletzt dazugelernt. Genau das macht auch die Faszination dieses Fachs aus“, betonte Margreiter, der oft über hundert Wochenstunden in der Klinik und am Operationstisch verbrachte und so überdurchschnittlich viel Erfahrung sammeln konnte. Der kritische Blick Margreiters richtet sich in diesem Zusammenhang vor allem auf das für die intramurale Ärzteschaft geltende „leistungsfeindliche“ Arbeitszeitgesetz und auf die, so Margreiter, überbordende Bürokratie, die es für den Chirurgen heute schwierig machten, genug Erfahrung und Qualifikationen am OP-Tisch zu erlangen. Die Diskussion über Qualität und Sicherheit in der Medizin sei nur über eine offene Kommunikation zu führen. Margreiter: „Damit der Patient sein informiertes Einverständnis in einen Eingriff geben kann, braucht er ein objektives und subjektives Sicherheitsgefühl. Defizite müssen angesprochen werden, um keine überhöhte Erwartungshaltung zu erzeugen“. Voraussetzung dafür sei die „Wertschätzung des Imperfekten“ und der Mut sich Fehler einzugestehen.

Es ist vielleicht gerade dieses gewisse Maß an Ungehorsam, das Prof. Margreiter für viele sympathisch und im Popper´schen Sinn intellektuell unabhängig macht.