search_icon 

close_icon

search_icon  

search_icon  

ONCOTYROL-i-med: Krebsproteinen den Partner rauben

Der Medizinischen Universität Innsbruck (i-med) ist es ein Anliegen, die hier in Innsbruck erzielten Ergebnisse der Grundlagenforschung schnell und sorgfältig geprüft ans Krankenbett zu bringen. Daher engagiert sie sich in dem großen akademisch-industriellen Forschungsverbund ONCOTYROL Center for Personalized Cancer Medicine. Viele i-med-Wissenschaftler und -Kliniker leiten Forschungsprojekte oder ganze Bereiche in ONCOTYROL. Diese Serie stellt in regelmäßiger Folge i-med/ONCOTYROL-Forschung und deren Ergebnisse vor.

Einfache Lösungen scheint es im Kampf gegen Krebs nicht zu geben. Freilich sind längst viele der entscheidenden Proteine bekannt, die Krebs auslösen. Diese aber radikal auszuschalten und damit alle Funktionen, die von ihnen gesteuert werden, zu blockieren birgt Risiken und kann zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Neue Ansätze in der Krebstherapie gehen daher weg von diesem globalen Ansatz. Sie versuchen, gezielt nur jene Aufgaben eines Proteins zu hemmen, die für die Krebsentstehung notwendig sind. Erreicht werden soll dies im Rahmen von ONCOTYROL dadurch, dass der Kontakt zu anderen Proteinen unterbrochen wird, die normalerweise gebraucht werden, um Entstehen und Überleben des Tumors zu ermöglichen.

Erfolgversprechender Ansatz zur Krebsbekämpfung

Protein-Protein-Interaktionshemmer zielen darauf ab, verhängnisvolle Signalwege nur in Tumorzellen oder dort nur in bestimmten Teilen der Zelle lahmzulegen. Sie sollen nur für den Krebs notwendige Funktionen des Zielmoleküls blockieren, für die die Bindung an bestimmte andere Partnerproteine erforderlich ist. Wenn genau dieses Zusammenspiel für die Krebsentstehung entscheidend ist, trifft der gezielte Eingriff die Achillesferse des Tumors, ohne weitere Schäden anzurichten, so die Strategie. Dass dieser innovative Ansatz Erfolg verspricht, zeigt das ONCOTYROL-Projekt von Prof. Jakob Troppmair, Leiter des Daniel-Swarovski-Forschungslabors (Department of Visceral, Transplant and Thoracic Surgery) an der Medizinischen Universität Innsbruck. Die Wissenschaftler suchen nach Molekülen, die die Interaktion zwischen dem Protein BAG-1 und dem Hitzeschockprotein 70 blockieren.

BAG-1 ist ein „Überlebensprotein“, das Krebszellen hilft, dem programmierten Zelltod zu entgehen, sich zu vermehren und im Körper auszubreiten. Krebspatienten, bei denen das BAG-1 Protein in erhöhter Menge nachzuweisen ist, haben oft schlechtere Krankheitsverläufe.

Proteine sind Teamworker. Sie arbeiten nie allein, sondern schließen sich mit anderen Proteinen zu Komplexen zusammen. BAG-1 bindet verschiedene Partner, die dadurch ihrerseits zur Krebsentstehung beitragen können. BAG-1-Partnerbindung zu hemmen, könnte also ein erfolgversprechender Ansatz zur Krebsbekämpfung sein. Einer der Partner von BAG-1 ist das Hitzeschockprotein 70 (hsp70). Hitzeschockproteine werden von Zellen bei Stress, beispielsweise durch erhöhte Temperatur, vermehrt produziert. Sie spielen auch bei der Tumorentstehung eine Rolle, wenn die Zelle „unter onkologischem Stress“ steht.

Prof. Troppmair und die Doktorandin Marion Enthammer suchen gemeinsam mit Prof. Hermann Stuppner und Dr. Gerhard Wolber vom Institut für Pharmazie der Leopold Franzens Universität nach BAG-1/hsp70-Interaktionshemmern. Ihnen ist es gelungen, ein Pharmakophor-Modell der chemischen Bindung zwischen den beiden Molekülen herzustellen. Mit dessen Hilfe haben sie eine Vielzahl von chemischen Substanzen virtuell durchgetestet und rund 100 erste Treffer gefunden, die sie nun in vitro und in vivo untersuchen wollen. Im Mittelpunkt laufender Forschungen in Innsbruck steht ein weiterer Interaktionspartner von BAG-1, nämlich RAF. Mutiertes RAF ist ein sehr häufiges verändertes Protein bei bestimmten Tumoren, wie dem Melanom, und trägt zur Entstehung von 10% aller Tumore bei. RAF bindet ebenfalls an BAG-1, in einem Bereich, der teilweise mit der hsp-70 Bindestelle überlappt. Ein Hemmer, der die Bindung zwischen BAG-1 und hsp70 blockiert, könnte daher möglicherweise gleichzeitig die RAF-Bindung beeinflussen, und somit auf doppelte Weise wirken.

Zusammenarbeit zwischen ONCOTYROL-Forschern und Experten aus Southampton

Die ONCOTYROL-Forscher arbeiten seit kurzem eng mit einer britischen Forschergruppe um Prof. Graham Packham von der University Southampton zusammen. Graham und seine Mitarbeiter haben einen biochemischen Testaufbau, einen Assay, entwickelt, mit dem sie eine große Menge von Substanzen untersucht haben. Und sie sind bei ihrem Screen fündig geworden: ein kleines chemisches Molekül (small molecule inhibitor) hemmt die Bindung der beiden Proteine und bremst auf diese Weise das Wachstum von Krebszellen.

„Es freut uns sehr, dass die Arbeit von ONCOTYROL international bereits so sichtbar geworden ist, dass wir neue Gesprächs- und Kooperationspartner aus dem Ausland anziehen“, sagt Prof. Lukas Huber, wissenschaftlicher Leiter des Zentrums. Das von ihm geleitete ONCOTYROL-Projekt zielt ebenfalls auf die Hemmung von Protein-Protein-Interaktionen ab.

Hintergrund ONCOTYROL

ONCOTYROL ist ein Verbund von Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zur beschleunigten Entwicklung und Evaluierung individualisierter Krebstherapien, sowie prognostischer und präventiver Methoden. Im Bereich der Wissenschaft stehen die drei Tiroler Universitäten, die Medizinische Universität, die Leopold-Franzens Universität und die Private Health and Life Sciences Universität UMIT im Zentrum. Sie arbeiten mit internationalen Wissenschaftspartnern wie der Harvard Medical School zusammen. Auf Seiten der Wirtschaft sind regionale, überregionale und international agierende Firmen beteiligt.

ONCOTYROL wurde im Rahmen des Strukturprogramms COMET der österreichischen Bundesregierung als K1-Zentrum in Innsbruck gegründet und wird mit nationalen und Landesmitteln zu rund 50% gefördert. Die Förderung findet über die österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die Bundesministerien BMVIT und BMWFJ und auf Landesebene über die Tiroler Zukunftsstiftung und die steirische Förderungsgesellschaft statt. Schwerpunkte der Forschung sind Prostata-, Brustkrebs und Leukämie. Gemanagt wird ONCOTYROL von der Innsbrucker CEMIT GmbH Center of Excellence in Medicine and IT. CEMIT initiiert und managt Großforschungsprojekte an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, z.B. Kompetenzzentren oder EU-Projekte oder –Programme.

Besondere Bedeutung der Medizinischen Universität

Die i-med ist in allen Bereichen von ONCOTYROL, ob wissenschaftlich oder strategisch, entscheidend beteiligt: Sie ist Gesellschafterin, Konsortialpartnerin, stellt die wissenschaftliche Leitung (Prof. Lukas Huber), stellt drei von fünf Area-Leitern (Prof. Helmut Klocker, Prof. Gottfried Baier und Prof. Günther Gastl) und leitet mehr als die Hälfte der ONCOTYROL-Projekte.