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Podiumsdiskussion ALUMN-I-Med: Bologna-Prozess in der Medizin – Chance oder Fiasko?

ALUMN-I-MED, der Verein der AbsolventInnen, MitarbeiterInnen, FreundInnen und Förderer der Medizinischen Universität Innsbruck veranstaltete auf Initiative von Vizepräsident em. o. Univ.-Prof. Dr. Hans H. Grunicke eine Podiumsdiskussion zum Thema Bologna-Prozess. In Österreich kann der Bologna-Prozess in der Medizin erst ab 2012 – mit der flächendeckenden Einführung des Masterstudiums umgesetzt werden. Über Bologna im Lehrplan des Medizinstudiums diskutierten Bologna-Experten aus der Schweiz, aus Deutschland und der österreichischen Bundesregierung mit dem Rektor und dem Vizerektor der Medizinischen Universität Innsbruck und der Österr.HochschülerInnenschaft sowie dem Präsidenten der Tiroler Ärztekammer.

Auftakt zur aktuellen Podiumsdiskussion von ALUMN-I-MED bildeten Kurzstatements von namhaften ReferentInnen: "Bologna ist mehr als Bachelor und Master, wir sind mitten auf dem Weg in der Realisation", lautete etwa das Credo des Vertreters des Bundesministeriums. Eine Lanze für den Bologna-Prozess brachen der ehemalige Leiter des Bologna-Zentrums der deutschen Hochschulrektorenkonferenz, Dr. Peter Zervakis, und Dr. Christian Schirlo von der Medizinischen Fakultät der Universität Zürich. Die Schweizer Hochschulkonferenz hat bereits beschlossen, alle Universitäten und Fachhochschulen 2010 auf das Stufensystem umzustellen. Was seitens des Vizerektors für Lehre und Studienangelegenheiten, Prof. Dr. Norbert Mutz, besonders hervorgehoben wurde, war die Qualität des Schweizer Lehrzielkataloges – entsprechende Adaptierungen sind auch für das Curriculum des Medizinstudiums in Innsbruck geplant.

Bologna als Chance oder doch nur alter Wein in neuen Schläuchen?

Zwei positive Aspekte des Bologna-Modells strich Rektor Prof. Dr. Herbert Lochs besonders hervor: einerseits die Möglichkeit zur gesteigerten Mobilität unter den StudentInnen, andererseits der Abgleich der Curricula an den Universitäten in Österreich, um auf dem gleichen Qualitätsstandard zu sein. "Gleichzeitig könnte das dreistufige Studium eine Chance sein, Eingangs- und Ausgangszenarien zu gestalten: Dadurch könnten auch jene StudentInnen, die beispielsweise den EMS nicht gemacht haben, nach einem Bachelor ins Masterstudium Medizin einsteigen, umgekehrt könnten MedizinerInnen nach dem Bachelor etwa in ein Masterstudium Neurowissenschaften, experimentelle Onkologie etc. umsteigen." Derzeit ergreifen rund 30% der AbsolventInnen nach Studienabschluss den Arztberuf nicht, "eine nicht zufriedenstellende Situation", begründete Rektor Lochs seine vorangegangenen Überlegungen. Prinzipiell plädierte der Rektor allerdings dafür, dass das Medizinstudium neben dem Ziel einer Berufsausbildung vor allem aber auch einen forschungsgeleiteten Schwerpunkt beibehalten muss – "ein schwieriger Spagat, der aber vielleicht mit dem Angebot eines inhaltlich abgestimmten Stufenmodells, wie es im europäischen Hochschulraum vorgesehen ist, zu bewältigen ist." Aktuelles Beispiel dafür sei das neue Angebot eines Bachelor-Studiums "Molekulare Medizin" an der Medizinischen Universität Innsbruck ab Herbst 2011 mit Aussicht auf ein Masterprogramm. Vizerektor Prof. Dr. Norbert Mutz war überzeugt, dass die Vorgaben des Bologna-Prozesses zum großen Teil bereits im neuen Lehrplan des Medizinstudiums umgesetzt sind, "wir sollten aber nicht nur neue Methoden über alte Strukturen stülpen, sondern Bologna als Gestaltungschance sehen."

Ärztekammer und HochschülerInnenschaft dezidiert gegen Bologna

Sowohl der Präsident der Tiroler Ärztekammer Dr. Arthur Wechselberger wie auch die Vorsitzende der HochschülerInnenschaft, Ursula Neubauer, können der Umstellung nach Bologna nichts abgewinnen: "Wir machen uns Sorgen, dass es zur Verknappung von Studienplätzen und zu längeren Wartezeiten kommt. Bei der vorgesehenen Priorisierung in Richtung Public Health, Kommunikation und sonstigen qualitätsverbessernden Maßnahmen darf die Medizin selbst im Studium nicht zu kurz kommen", erklärte Dr. Wechselberger. ÖH-Vorsitzende Neubauer sprach sich dafür aus, dass man sich besser auf die Attraktivitätssteigerung des Arztberufes und Verbesserungen im Medizinstudium gesamt konzentrieren sollte, als darauf, wie man jenen, die schlussendlich nicht als Arzt/Ärztin tätig sein werden, mithilfe von Bologna ein Ausstiegsszenario bieten könne. Der Vizepräsident der Tiroler Ärztekammer und Alumn-I-Med Präsident Prof. Dr. Thomas Luger hob hervor, dass die Ausbildung der StudentenInnen zu ÄrztenInnen das Kerngeschäft einer Medizinischen Universität ist. Bei einer Implementierung des Bologna Prozesses in all ihren Facetten müsse die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen – Personal, Raumbedarf, Finanzierung – mitberücksichtigt werden.

Basisinformationen zum Bologna-Prozess

Der Begriff Bologna-Prozess bezeichnet ein EU-politisches Vorhaben zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulwesens. Er beruht auf der 1999 von 29 europäischen BildungsministerInnen im italienischen Bologna unterzeichneten Bologna-Erklärung. Hauptziele sind die Förderung der Mobilität, der internationalen Wettbewerbsfähigkeit sowie in der Steigerung der Employability (der Beschäftigungsfähigkeit). Dementsprechend wurden neben anderen noch folgende Ziele formuliert: Schaffung eines Systems vergleichbarer Abschlüsse und Einführung eines Diplomzusatzes, Schaffung eines zweistufigen bzw. dreistufen Systems (Bachelor/Master/PhD), die Einführung eines Leistungspunktesystems ECTS (European Credit Transfer System), Förderung der europäischen Zusammenarbeit bei der Qualitätsentwicklung sowie der studentischen Beteiligung und noch einige mehr.