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Nachruf Univ.-Prof. Dr. Herbert Benzer

Eine der prägendsten Persönlichkeiten der österreichischen, aber auch der europäischen Anästhesie hat uns für immer verlassen. Univ.-Prof. Dr. Herbert Benzer hat nicht nur fachlich der Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie durch seinen Einsatz, seine Visionen und nicht zuletzt durch seine unermüdliche Energie besondere Strahlkraft verliehen. Prof. Benzers Persönlichkeit würde nicht ausreichend charakterisiert werden, würde nicht auch auf seine menschlich verbindende Art verwiesen werden, mit der er immer verstanden hat, seine Mitarbeiter zu motivieren und seine Ziele auch zu Gruppenzielen werden zu lassen.

Prof. Herbert Benzer wurde am 30. Dezember 1928 in Bregenz geboren. Die Grundlagen zu seiner großen Persönlichkeit wurden, am humanistischen Gymnasium in Bregenz gelegt, an welchem er 1947 die Matura ablegte. Anschließend absolvierte Herbert Benzer sein Medizinstudium in Innsbruck und Wien, das er mit der Promotion zum Doktor der Gesamten Heilkunde 1954 abschloss. Wenn man die Stationen seiner postpromotionellen Ausbildung betrachtet, so lesen sich seine Lehrer wie das „Who is Who“ der medizinischen Prominenz der sog. „Wiener Schule“ der Medizin. Namen wie Hermann Chiari, Karl Fellinger, Leopold Schönbauer und Paul Fuchsig lassen erkennen, welches medizinische Fundament Herbert Benzer für seine spätere Laufbahn erhalten hat. Herbert Benzer begann mit großer Energie seine Facharzt-Ausbildung als Anästhesist und Intensivmediziner. Nach Beendigung seiner Facharzt-Ausbildung im Fach Anästhesiologie ging Herbert Benzer ins Ausland, um an seinen wissenschaftlichen Aktivitäten entscheidend weiter zu arbeiten. Wiederum sind es klingende Namen, die ihn auf seiner Karriereleiter begleiteten; hier seien nur zwei unter mehreren genannt: Earl Wilkins und Myron B Laver (Massachusetts General Hospital, Boston). Sein vielfältiges Interesse an grundlegenden pathophysiologischen Phänomenen, aber auch sein unbändiger Forscherdrang hat dazu geführt, dass Herbert Benzer bereits ein Jahr nach der Facharzt-Zuerkennung für das Fach Anästhesiologie mit der damals Aufsehen erregenden Arbeit über das Verhalten der Oberflächenspannung der Lunge unter Respiratorbeatmung habilitierte. Seine damals bahnbrechenden Erkenntnisse wurden durch den sehr selektiv vergebenen Kardinal-Innitzer-Preis gewürdigt.

Grundlegende, durch experimentelle Ergebnisse abgesicherte, Erkenntnisse um gestörte Lungenfunktionen haben Prof. Benzer zum Überdenken klinischer Anwendungen therapeutischer Verfahren und deren Optimierung geführt.

Der Höhenflug der künstlichen Beatmung, welcher in den letzten Dezennien stattgefunden hat, wäre ohne den Motor Herbert Benzer nicht denkbar gewesen. Sein Konzept zur Individualisierung der Atemhilfe („bedarfsadaptierte künstliche Beatmung“) hat zur sprunghaften Entwicklung auf technischem Gebiet, flankiert durch physiologische und pathophysiologische Überlegungen, geführt. Besondere Entwicklungen von Verfahren zur Atemhilfe und Minimierung von Rückwirkungen auf verschiedene Organsysteme, welche heute noch gültig sind, tragen seine Handschrift. Das war allerdings nur möglich, weil Herbert Benzer ein überzeugter „Teamplayer“ und gleichzeitig „Spielmacher“ war. So gingen auf seine Initiative europäische Arbeitsgruppen, wie die „Respiratory Research Group“ mit Peter Suter, Hilmar Burchardi, Luciano Gattinoni und Daniel Scheidegger, oder die Gründung der Europäischen Intensivgesellschaft (European Society of Intensive Care Medicine – ESICM) gemeinsam mit Gleichgesinnten zurück.

Prof. Herbert Benzer war immer überzeugt davon, dass die Anästhesie die Mutter und Zentrale für verschiedene aus dieser zu entwickelnde klinische Bereiche sein muss. Wenngleich eine Eigenentwicklung der Disziplinen Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie besonders wichtig ist, um auch im klinischen Kanon gegenüber anderen Disziplinen bestehen zu können, so war für ihn doch immer die Anästhesiologie das gemeinsame Fundament für solche Entwicklungen.

An der Universität Wien brachte Herbert Benzer als Nachfolger von Rudolf Kucher die Wiener anästhesiologische Intensivmedizin als Außerordentlicher Universitätsprofessor - oft auch gegen Widerstände - zur international beachteten Blüte. B200 galt als Synonym für moderne Intensivmedizin. Sowohl in der chirurgisch orientierten, als auch in der herzchirurgischen Anästhesie und Intensivmedizin hat Herbert Benzer bis heute deutlich sichtbare Spuren hinterlassen.

Es war daher alles andere als verwunderlich, als Herbert Benzer 1985 zum Ordentlichen Universitätsprofessor und Klinikvorstand der Anästhesieklinik in Innsbruck, als Nachfolger des ebenfalls zu den Pionieren zählenden Prof. Bruno Haid, berufen wurde. Vom ersten Tag seines neuen Wirkens an hat Herbert Benzer sein gesamtes Potential entfaltet und durch strukturelle und organisatorische Maßnahmen dieser Klinik zu einer ungeahnten Entfaltung verholfen. Der Ausbau „seiner“ Klinik für Anästhesie und Allgemeine Intensivmedizin zu einem international beachteten Standort unseres Faches war natürlich auch geprägt durch umfangreiche Maßnahmen zur Entwicklung, Förderung und Festigung des wissenschaftlichen Vorgehens sowohl im Klinik-, als auch im experimentellen Bereich. Dieser Einsatz und hohe Anstrengung hat letztendlich zu einer sprunghaft verstärkten universitären Beachtung der Innsbrucker Anästhesiologie und Intensivmedizin geführt. Herbert Benzer hat somit die Anästhesie von einem Servicefach zu einer universitären Abteilung entwickelt.

Eine Vielzahl von Innovationen, ausgehend von nunnmehr „seiner Innsbrucker Anästhesieklinik“, war ab 1985 zu bemerken. Abgesehen von enormen Entwicklungen und Neupositionierung der Intensivmedizin, waren es die Einführung eines organisierten Notarzt-Dienstes, geleitet von entsprechenden klinischen Ausbildungsinhalten, die vermehrte Beachtung und wissenschaftliche Verfolgung der Schmerzbehandlung, sowie ein tierexperimenteller Bereich für Fragestellungen aus sämtlichen anästhesiologischen Sub-Disziplinen waren im Fokus dieser Entwicklungen. Wenngleich zur Umsetzung schlagkräftige organisatorische Einheiten geschaffen wurden, hat Herbert Benzer niemals das Ganze aus den Augen verloren. Für ihn waren die Trias „Patientenversorgung – Lehre – Forschung“ immer oberste Maxime seines zutiefst universitären Denkens.

Prof. Benzer wurde nie müde, seine Mitarbeiter entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten zu fördern, aber auch zu fordern und damit zu Höchstleistungen anzutreiben. Viele seiner Schüler sind daher im Laufe der Zeit an prominente Positionen gelangt. Sie alle wurden geprägt durch seine Persönlichkeit und durch seinen gelebten Humanismus und sind daher bestrebt, sein Erbe weiter zu tragen. Wir verlieren in Prof. Herbert Benzer nicht nur einen exzellenten Kliniker, Organisator und Wissenschafter, sondern vor allem eine wichtige Identifikationsfigur.