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Neue Einsichten in die Zusammenhänge von Entzündungsprozessen und Depression im Alter

Depressive Verstimmungen und kognitive Störungen gehören häufig zum Alltag älterer Menschen. Mit einem interuniversitären Forschungsansatz gelang es einer Arbeitsgruppe der Sektion für Biologische Chemie des Innsbrucker Biozentrums gemeinsam mit ForscherInnen der Universität Bordeaux, Frankreich, die Zusammenhänge zwischen der Entzündungsreaktion, der Verfügbarkeit von Neurotransmittervorstufen und der Entstehung neuropsychiatrischer Symptome beim älteren Menschen zu erhellen.

Neurotransmitter wie Adrenalin, Noradrenalin, Serotonin oder Dopamin sind Botenstoffe des Zentralnervensystems, die Informationen von einer Nervenzelle zur anderen weitergeben. Das Forschungsteam um Univ.-Prof. Dietmar Fuchs von der Sektion für Biologische Chemie am Biozentrum verfolgt seit Jahren den Einfluss von Entzündungsvorgängen auf die Verfügbarkeit von Vorstufenmolekülen dieser Neurotransmitter. In zahlreichen Grundlagenuntersuchungen und Kooperationsarbeiten mit verschiedenen Institutionen der hiesigen Medizinischen Universität und mit Wissenschaftlern aus dem In- und Ausland wurde der Nachweis erbracht, dass der vom Immunsystem bewirkte Abbau der essentiellen Aminosäure Tryptophan im engen Zusammenhang mit dem gehäuften Auftreten von Befindlichkeitsstörungen bei PatientInnen mit z.B. malignen Tumorerkrankungen aber auch jenen unter Therapie mit Zytokinen wie Interferonen steht. „Der durch den Abbau entstehende Mangel an Tryptophan wirkt sich augenscheinlich auf die Verfügbarkeit des Glückshormons Serotonin aus und vermehrt die Bildung toxischer Produkte aus Tryptophan. Daneben kann die chronische Entzündung bei diesen Patienten auch eine Störung des Enzyms Phenylalaninhydroxylase bewirken, was eine unzureichende Versorgung der nachfolgenden Biosyntheseschritte der dopaminergen und adrenergen oder noradrenergen Neurotransmittermoleküle nach sich zieht“, weiß Prof. Fuchs.

Entzündungsaktivität als relevante Größe für Depressionen im Alter

Gemeinsam mit der Universität Victor Segalen in Bordeaux, Frankreich (Prof. Lucile Capuron und Prof. Sophie Layé) wurde nun untersucht, ob sich ähnliche Stoffwechselverschiebungen auch beim ansonsten gesunden Menschen im höheren Alter nachweisen lassen, da auch bei dieser Gruppe oft gering-gradige, aber chronische Zeichen einer Entzündung festgestellt werden. Zusätzlich wurde geprüft, ob der dadurch veränderte Stoffwechsel relevanter Aminosäuren mit dem typischen neuropsychiatrischen Symptomenkomplex zusammenhängt. „Durch vergleichende Messung der Entzündungsaktivität mittels dem in Innsbruck entwickelten Neopterintest und der Quantifizierung der Neurotransmittervorstufenmoleküle Phenylalanin, Tyrosin und Tryptophan und seines Abbauprodukts Kynurenin gelang es nun nachzuweisen, dass solche Störungen mit zunehmendem Alter wahrscheinlicher werden und mit der Entzündungsaktivität beim Betroffenen zusammenhängen“, erklärt Prof. Fuchs.

Darüber hinaus wurde auch ein signifikanter Zusammenhang zwischen den biochemischen Veränderungen und dem Auftreten von neuropsychiatrischen Symptomen - wie sie durch standardisiert strukturierte Fragebögen zur Erfassung von depressiver Symptomatologie, Niedergeschlagenheit und generellen Verhaltensmustern und neurovegetativen Symptomen erhoben wurden - nachgewiesen.

Wie erwartet korrelierte das Alter mit den Konzentrationen der Immunmarker und mit dem Ausmaß neuropsychiatrischer Symptome. Eine verstärkte Entzündungsreaktion war mit verminderter Tryptophanverfügbarkeit aufgrund eines verstärkten Abbaus der Aminosäure assoziiert. Zusätzlich ergab sich ein Zusammenhang zwischen der Entzündungsaktivität und einem erhöhtem Phenylalaninspiegel, der durch eine verminderte Aktivität der Phenylalaninhydroxylase entsteht. Während ein verstärkter Tryptophanabbau mit depressiven Symptomen wie Anorexie, Niedergeschlagenheit, Motivationsverminderung und pessimistischen Gedanken assoziiert war, war ein abnormaler Phenylalaninstoffwechsel eher mit neurovegetativen Symptomen inklusive Schlafstörungen, Erschöpfung, Übelkeit und Antriebslosigkeit verknüpft.

Wichtiger Schritt zu maßgeschneiderter Therapie

Zusammenfassend zeigt die Untersuchung, dass eine chronische, wenn auch oft nur gering-gradige Entzündungsaktivität beim älteren Menschen biochemische Wege des Monoaminstoffwechsels beeinträchtigt und dass diese Veränderungen zur Pathophysiologie neuropsychiatrischer Symptome beitragen können. Die Ergebnisse aus der internationalen Kooperationsstudie bringt das Ziel einer maßgeschneiderten Therapie für die Betroffenen einen entscheidenden Schritt näher und wurden jetzt im renommierten Wissenschaftsjournal Biological Psychiatry veröffentlicht.