Med Uni Innsbruck mit Zellgenetiker Gottfried Baier erneut beim ERC erfolgreich
Gottfried Baier, Immunonkologe und Direktor des Instituts für Zellgenetik an der Medizinischen Universität Innsbruck, erhält seinen dritten Grant des Europäischen Forschungsrates (European Research Council, ERC). Mit dem begehrten "Proof of Concept Grant" als besondere Auszeichnung sollen die Forschungsarbeiten von Baier und seinem Team einen konkreten Schritt in Richtung klinischer Anwendung auf dem Gebiet der Immuntherapie von Krebserkrankungen machen.
Ein „Proof of Concept" (PoC) ist ein Meilenstein, der die prinzipielle Machbarkeit eines Projekts belegt. Um den gleichnamigen Grant des European Research Council (ERC) können sich nur WissenschaftlerInnen bewerben, die bereits einen ERC-Grant eingeworben haben. „HOPE" nannte Gottfried Baier sein Projekt, das 2018 mit einem Advanced Grant des ERC ausgezeichnet wurde. Der Name drückt bereits seine damalige Hoffnung aus, dass durch seine Forschung die Krebsimmuntherapie in Zukunft weiter perfektioniert werden kann.
Gottfried Baier ist seit 25 Jahren in der Immunonkologie tätig. „Damals war das Gebiet noch völlig außerhalb der etablierten Schulmedizin. Dementsprechend viel Gegenwind bekam ich von den Schulonkologen, die aufgrund ihres Wissensstandes mit dieser neuen Forschungsrichtung wenig anfangen konnten“, sagt Baier. Als international anerkannter Pionier auf dem Gebiet der Krebsimmuntherapie ist er heute einer von drei ForscherInnen in Österreich, die über alle Forschungsdisziplinen verteilt einen PoC-Grant 2024 des ERC erhalten haben.
Das metastasierende Melanom (MM) steht im Mittelpunkt des neuesten ERC-Projekts von Baiers Team. Das MM, das durch die unkontrollierte metastatische Ausbreitung von Melanozyten in entfernte Regionen gekennzeichnet ist, ist die schwerste Form von Hautkrebs. Mit einer hohen Morbidität und Mortalität ist es eine der am schwierigsten zu behandelnden Krebsarten. Trotz der Verfügbarkeit wirksamer Standardbehandlungen für MM bestehen weiterhin erhebliche klinische Herausforderungen. Dies äußert sich in einer begrenzten Ansprechrate auf die Therapie und vor allem in einer hohen Rückfallrate. Als Folge dieser eingeschränkten Behandlungsmöglichkeiten erscheinen speziell zellbasierte autologe Krebsimmuntherapien mittels adoptiver Zelltherapie (ACT) als vielversprechender neuer Ansatz in der Behandlung des MM. Allerdings haben ACT-Therapien neben langen Herstellungszeiten und hohen Herstellungskosten das große Hindernis einer schnellen Funktionsstörung der therapeutisch zugeführten Zellen aufgrund des immunsuppressiven Mikroenvironments des Melanoms. Daher konnte mit ACT beim MM bisher nur eine beschränkte Ansprechwahrscheinlichkeit erzielt werden.
Mit dem erklärten Ziel, diese zellbasierte Therapieform des ACT zu verbessern, wurde nun in der Arbeitsgruppe von Gottfried Baier ein möglicher Ausweg aus dieser veritablen Zwickmühle gefunden: NR2F6, ein in seinem Institut erstmals entdeckter intrazellulärer Immun-Checkpoint, ermöglicht es, die T-Zellen vor der Infusion auf eine deutlich verbesserte Immunfitness zu trimmen. Auf diese Weise hält die Wirkung des ACT lange genug an, um das Immunsystem des MM-Patienten für eine Kombinationstherapie mit den bereits verfügbaren Immun-Checkpoint-Inhibitor-Therapien (ICTs) entscheidend zu sensibilisieren.
Translation eines innovativen Ansatzes
Das PoC-Projekt trägt daher den Namen NR2F6_AIM. „Mit unserem innovativen Ansatz können wir die Wirksamkeit dieser T-Zell-Therapie entscheidend verbessern. Die ‚NR2F6_AIM‘-modifizierten T-Zellen sind metabolisch deutlich resistenter gegen das immunsuppressive Milieu solider Tumoren wie dem MM“, sagt Baier. Mit Hilfe der RNA-Interferenz blockiert die neue Methode NR2F6 durch ein schnelles, sicheres und nicht-virales Gen-Silencing mittels einer Transfektionsmethode mit synthetischer, interferierender RNA (siRNA). Mit diesem genetisch modifizierten T-Zell-ACT-Ansatz könnte Baier mit seinem Team also am Ende des Tages in der Lage sein, eine kombinatorische ACT-Therapie für MM mit einem hochwirksamen therapeutischen Potenzial anzubieten.
„Der ERC Grant ist eine weitere Auszeichnung für mein Team. Solche ERC Grants sind vor allem aber auch Türöffner für die erfolgreiche Anbahnung von hochkarätigen Industriekooperationen, die naturgemäß für eine zeitnahe Markteinführung des NR2F6_AIM Konzepts unserer MUI essentiell sind“, freut sich Baier. Mit diesem dritten ERC Grant soll somit die Brücke von der immunonkologischen Grundlagenforschung im Bereich MM zur klinischen Anwendung geschlagen werden. Gemeinsam mit seinem bewährten „ERC HOPE“-Team, bestehend aus Victoria Klepsch, Thomas Gruber, Nikolaus Thuille, Kerstin Bellaire-Siegmund, Dominik Humer, Jiri Koutnik, Daniel Schreiber, Viktor Lang, Nina Posch, Viana Wille, Friedrich Fresser, und Ingrid Kirchmair, freut sich Gottfried Baier auf die Umsetzung von NR2F6_AIM. Hinsichtlich der klinischen Relevanz arbeiten die ForscherInnen des Instituts für Zellgenetik eng mit Dominik Wolf, dem Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin V, Hämatologie und Onkologie, zusammen.
11.7.2024, Text: Baier/Heidegger, Bild: MUI/F. Lechner
Links:
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